Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
2 3 4 5 6 7 8
9 10 11 12 13 14 15

12.585 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Installationsansicht Alberto Giacometti – Surrealistische Entdeckungen, Max Ernst Museum Brühl des LVR, Fondation Giacometti, © Succession Alberto Giacometti / VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Foto: J.Vogel / LVR

Mit dem Surrealismus verbündet

11. November 2024

Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24

Eine Ausstellung mit einem Giganten der Skulptur wie dem Schweizer Alberto Giacometti ist immer ein Ereignis – und sie könnte in der Auswahl der Werke und der Präsentation krachend scheitern. Das Max Ernst Museum hingegen hat trotz seiner beengten Räumlichkeiten und schwierigen Lichtverhältnisse alles richtig gemacht und die Skulpturen, darunter Hauptwerke aus der Fondation Giacometti, souverän auf Blickachsen, Allansichtigkeit und Kabinette hin arrangiert. Ohne jede Aufdringlichkeit wird die Freundschaft und zeitweilige künstlerische Verwandtschaft zu Max Ernst herausgearbeitet, den Giacometti Ende der 1920er Jahre kennengelernt hat. Der „Hausherr“ des Brühler Museums ist folglich mit Malerei und Skulptur einbezogen.

Die Ausstellung ist chronologisch angelegt und positioniert Giacometti vor Giacometti. Sie beginnt mit seinen frühen verknappten Häuptern und Figuren, die er aus schmalen Scheiben modelliert und geschnitten hat, und widmet sich sodann in der Hauptsache seiner surrealen Phase. Giacometti (1901-1966), der ab 1922 zunächst zum Studium und dann als Lebensmittelpunkt mit Unterbrechungen in Paris gelebt hat, war von 1930 bis 1935 Mitglied der dortigen Surrealisten-Gruppe und hat in diesen Jahren rätselhaft verschlüsselte, figurative Werke geschaffen. Sie tangieren Traum und Spiel, führen Sexualität und Tod zusammen, sind symbolisch aufgeladen und vom Zufall beseelt. Mitunter hat Giacometti seine Figuren und Figurenfragmente in einen Käfig eingefügt, lässt sie dort an einem Seil hängen oder sich an den Stäben halten und verleiht ihnen so eine eigene Bühne. Davon sind in Brühl, teils als Rekonstruktion, Ikonen wie die „Schwebende Kugel“ und der „Schweigevogel“ zu sehen, ebenso wie spätere, mit einem Käfig räumlich „geerdete“ Skulpturen. 

Dazwischen, zentral im Ausstellungsraum, wird ein gemeinsames Kapitel mit Max Ernst in Maloja in Graubünden beleuchtet. Beide Künstler (und der Bruder Diego Giacometti) halten sich hier im Sommer 1935 auf. Sie entdecken den Granit als Material, das sie zur Hütte schleppen und Seite an Seite bearbeiten, natürlich mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zugleich stellt diese Werkphase eine Zäsur dar. Denn schon wenige Jahre später entwickelt Giacometti die Figuren, mit denen er heute vor allem berühmt ist. Er schafft langgestreckte, flache, an der Oberfläche minutiös modellierte Gestalten, bei denen in präziser Proportion alles in der Andeutung verbleibt. Während die Frauen eine regungslose Statuarik kennzeichnet, verfügen die Männer über eine ausgreifende Schreitbewegung. Der Existenzialismus der Pariser Nachkriegsjahre wird in diesen Schattenwesen und ihrer brodelnden Unruhe deutlich, und schon für dieses „Nebenthema“ der Ausstellung lohnt sich der Besuch. Ohnehin greift Giacometti auch jetzt auf Methoden, Motive und Themen seiner früheren surrealistischen Phase zurück. In Brühl sind übrigens noch wunderbare Porträtzeichnungen ausgestellt, hingegen wird die Malerei nur knapp berücksichtigt. Aber das wäre ein anderes Thema. Was zu sehen ist, ist – zumal in Verbindung mit der benachbarten Sammlung zu Max Ernst – ohnehin überwältigend.

Alberto Giacometti – Surrealistische Entdeckungen | bis 15.1. | Max Ernst Museum Brühl des LVR | 02232 579 30

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Zauber der Collage
Frauke Dannert im Max Ernst Museum in Brühl

Ein Weltstar der modernen Skulptur
Surreal beleuchtet: Alberto Giacometti in Brühl

Zauber der Großstadt
Nevin Aladağ im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 04/24

Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23

Farben hinter Glas
Karin Kneffel im Max Ernst Museum des LVR – Kunst in NRW 07/22

Der Zauberfrosch hat Durchblick
„Surreale Tierwesen“ im Max Ernst Museum des LVR – Kunstwandel 01/22

Im Kopf durch fremde Welten scrollen
Jean Giraud aka Mœbius in Brühl – Kunstwandel 10/19

Surreale Welten
Mœbius im Max Ernst Museum – Kunst 09/19

Flammende Herzen
Joana Vasconcelos im Max Ernst Museum des LVR – kunst & gut 07/19

Von der Illustration zur Illusion
Ruth Marten im Max Ernst Museum Brühl des LVR – Kunstwandel 12/18

Mann aus Texas
Robert Wilson inszeniert seine Sammlung im Max Ernst Museum des LVR – kunst & gut 07/18

Kleine Monster
Joan Miró im Max Ernst Museum des LVR Brühl – Kunst in NRW 11/17

Kunst.

HINWEIS