Egal ob Benzin, Diesel oder Erdgas – Köln ist leider noch immer eine Autofahrerstadt erster Güte, anders als ähnlich aufgestellte Millionenstäde, die mit der Zeit gegangen sind und sich schon vor Jahren moderner aufgestellt haben. Wer nicht auf vier Reifen, sondern auf zwei gesunden Beinen unterwegs ist – die mal laufen, mal ein Fahrrad bewegen – hat es in der Domstadt nicht immer leicht. Bekannt ist das im Rathaus. Und ja: Es wird an der Verkehrswende gearbeitet. Aber es dauert zu viel zu lange und es fehlt vor allem der eine große Masterplan dahinter. Köln braucht nicht irgendwann die ökologische Verkehrswende; Köln braucht im Hier und Jetzt eine moderne Verkehrsinfrastruktur.
Alleine darüber nachzudenken zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr etwas mehr Aufrichtigkeit zu wagen und „ehrliche Fahrpläne“ mit abweichenden Zeiten etwa zur Rush Hour anzubieten: Fehlanzeige. Viel mehr verliert der ÖPNV dauerhaft an Attraktivität bei jenen, die sich nicht in enge Bahnen und Busse drängeln wollen oder können, oder die auf Pünktlichkeit angewiesen sind und nicht mit großem Zeitpuffer das Haus verlassen wollen, um rechtzeitig auf ihrer Arbeitsstelle zu erscheinen. Teils fehlende Beschilderungen, die Ortsunkundigen den richtigen Weg weisen könnten, sind hierbei noch gar nicht erfasst. Und ebenso wenig die hohen Ticketpreise, die laut einer aktuellen Auswertung des ADAC unter den Großstädten gleich die obersten Treppchen erreichen.
Ralph Herbertz kennt Kölns Mobilitätsprobleme nur zu gut. Er ist Mitglied im NRW-Landesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der sich für eineökologische Verkehrswende stark macht. Nachgefragt wie er und sein Verband mit der verkehrlichen Situation in der Stadt am Rhein zufrieden ist, gibt er sich betont zurückhaltend: „Ganz grob: man hat zwar viel zu spät damit angefangen die Zeichen der Zeit zu erkennen und noch nicht das richtige Tempo bei der Umsetzung. Aber es bewegt sich etwas in dieser Stadt. Es werden viele kleine Einzelmaßnahmen unternommen, die zu Qualitätsverbesserung für Radfahrer und Fußgänger beitragen. Das Problem ist jedoch, das oftmals keine Gesamtbetrachtung des Netzes stattfindet und es immer wieder nur zu Stückwerk kommt.“
Der Geograph ist selbst leidenschaftlicher Radfahrer. Doch er kennt auch Erwachsene und Kinder, die sich in Köln nicht aufs Rad wagen: „Sie haben schlichtweg Angst, zum Beispiel vor Lkw, die an ihnen vorbei rauschen. Früher wurden Radwege auf Bürgersteige geklatscht oder an den Straßenrand, direkt am Parkstreifen, wenn es dort Platz gab. Sie sind oft sehr schmal und kommen an echte Fahrradspuren nicht ran. Davon brauchen wir in Köln einfach viel mehr.“ Dass der öffentliche Raum nicht nur Straßen- und Parkraum für Pkw ist, sei in einigen Köpfen dennoch nicht angekommen.
Dass in Köln trotz aller Widrigkeiten der Radverkehr massiv zugenommen hat und laut Herbertz aktuell bei 19 Prozent liegt, erklärt er sich so: „Radfahren in Köln ist für viele einfach praktisch, wenngleich das Angebot nicht so toll ist. Wir brauchen mehr Fläche um den Radverkehr abzuwickeln und vom Fußverkehr zu trennen.“ Gerade im Hinblick auf die mit rund 1,9 Millionen Euro von der Stadt geförderten 900 Lastenräder, die künftig auf den Straßen unterwegs sein werden, macht das absolut Sinn.
Rückblick: Nachgehakt – Wieder eine Morddrohung
Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke wurde ermordet, Andreas Hollstein, Bürgermeister im westfälischen Altena, und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit dem Tode bedroht. Neben Politikern erhalten auch immer öfter Journalisten Drohungen, zuletzt der WDR-Journalist Georg Restle. Der aktuelle Drohbrief gegen ihn zieht eine Verbindung zum Mord am früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Reske ist Leiter der „Monitor“-Redaktion und hat am 11. Juli in den „Tagesthemen“ kritisch gegen die AfD Stellung bezogen hatte. So titulierte Restle die Partei als „parlamentarischen Arm“ der Identitären Bewegung und forderte, die AfD müsse als „rechtsextremistisch“ eingestuft werden. Der WDR hat nach der Morddrohung gegen Reske Anzeige gegen Unbekannt gestellt; die Staatsanwaltschaft ermittelt.
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