1905 verlässt eine junge Frau Berlin und wandert in die deutsche Kolonie Kamerun aus. Ihr sozialer Aufstieg geschieht auf Kosten von Einheimischen. 2015 bricht ein junger Mann aus Kamerun Richtung Deutschland auf. Er schafft es nach Berlin und erkämpft sich eine feste Stelle – doch eines Tages soll er gegen seinen Willen einen Auftrag in Kamerun übernehmen.
Paul Plampers Hörspiel „Dienstbare Geister“ über den hundert Jahre-Zeitsprung zeigt eindrucksvoll Europas brutale Kolonialgewalt und die andauernden Folgen als Parallelmontage. Es wurde 2018 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet und wird im Rahmen von „Translocal“, einem fünftägigen Festival postkolonialer Perspektiven, am Schauspiel Köln in der schummerigen Grotte am Depot zu hören sein.
Der Begriff der „Translokalität" sollte immer dann in den uralten Wirtschaftsräumen in Asien, Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten benutzt werden, wenn dort über die lokal Handeltreibenden die Geißel der Globalisierung verhängt wird – eine westlich geprägte Sicht auf die Welt, denn schließlich wurde dort seit Jahrhunderten bereits über riesige Strecken Waren und Ideen gehandelt. Doch vor mehr als 130 Jahren haben die europäischen Großmächte begonnen, die Strukturen zu zerstören um dort fremde Rohstoffe zu rauben. Der Völkermord, den die Deutschen dabei in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, an den Herero und Nama begangen haben, kostete mehr als 80.000 Menschen das Leben.
Im Schauspiel Köln ist das Anlass, den Blick aufs postkoloniale Afrika neu zu fokussieren. Zu sehen sein wird „Black / The Sorrows of Belgium I: Congo“, die neueste Produktion von Luk Perceval über die Ausbeutung des Kongos und auch die surreale Fashion-Konzert-Choreografie „Chombotrope“ von Stephanie Thiersch und dem Jitta Collective (Nairobi) über kulturelle Aneignungsprozesse durch die Perspektive des zeitgenössischen Tanzes. Eröffnet wird das Festival mit der zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Lecture-Performance „Solar: A Meltdown“ von Ho Rui An über den Anthropologen Charles Le Roux. Der singapurische Künstler arbeitet zwischen zeitgenössischer Kunst, Performance und Theorie.
Translocal | 26. - 30.5. | Schauspiel Köln | www.schauspiel.koeln
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