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Martin Wolkner und Rainer Hillrichs

Schwul in Israel

28. März 2013

„Yossi“ im OFF-Broadway – Foyer 04/13

Dienstag, 5. März: Bereits seit 1986 ist das „Allerweltskino“ in Köln eine feste Institution. Der dahinter stehende gemeinnützige Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, dem interessierten Kölner Publikum einmal in der Woche globales Kino und Filme zu globalen Themen näher zu bringen. Seit 2001 hat man dafür im modernisierten OFF-Broadway in der Zülpicher Straße eine feste Bleibe gefunden, wo nun immer dienstags um 20 Uhr ein Film präsentiert wird. Am 5. März 2013 zeigte man mit „Yossi“ einen aktuellen israelischen Film mit schwuler Thematik, der aus diesem Grund als Kooperation mit der lesbisch-schwulen Filmreihe „homochrom“ präsentiert wurde. Deren Gründer Martin Wolkner beantwortete nach der Projektion die Fragen des 2. Vorsitzenden vom „Allerweltskino“, Rainer Hillrichs, und diskutierte zusammen mit ihm und dem Publikum über den Film, das israelische Kino und schwule und lesbische Themen in aktuellen Produktionen. Anders als das „Allerweltskino“ findet „homochrom“ nur einmal im Monat statt, in Köln in der Filmpalette, aber auch in anderen Städten NRWs wie Bochum und Dortmund. Im Oktober veranstaltet Wolkner bereits seit 2011 ein gleichnamiges schwul-lesbisch-bi-transsexuelles Filmfestival, das bislang ebenfalls sowohl in Köln als auch Dortmund abgehalten wurde.

Martin Wolkner und Rainer Hillrichs im OFF-Broadway

Befragt zu den Auswahlkriterien seiner Filme, merkte Martin Wolkner an, dass ein Film sowohl aufgrund seiner Thematik als auch aufgrund der sexuellen Orientierung seines Machers oder seiner Macherin als schwuler oder lesbischer Film bezeichnet werden könne. „Auch in Almodóvar-Filmen mit heterosexueller Thematik gibt es meist eine Campness, einen schwul-überzeichneten Stil.“ Die Abgrenzung zwischen schwulen und lesbischen Filmen sei allerdings gleichwohl notwendig, weil es kaum Schwule gäbe, die sich einen Film mit lesbischer Thematik anschauen würden. Deswegen wurde für Lesbenfilme bei „homochrom“ eine eigene Programmschiene etabliert, die alle zwei Monate einen neuen Film zeigt. Auf Rückfrage von Rainer Hillrichs, warum Wolkner nicht den Sammelbegriff „queer“ verwende, argumentierte dieser, dass „queer“ im Englischen für alles, was von der Heteronorm abweicht, verwendet würde, es sich im Deutschen bei dem Wort allerdings um einen aufgepfropften Kunstbegriff handle, der immer dann benutzt würde, wenn man nicht „schwul-lesbisch-bi-transsexuell“ sagen wolle.

Martin Wolkner von "homochrom"

„Israelische Filme werden in Deutschland vor allen Dingen gezeigt, wenn sie den Palästinakonflikt zum Thema haben“, erklärte Rainer Hillrichs. Mit „Yossi“ und dem in der Woche davor gezeigten Film „The Exchange“ von Eran Kolirin wählte man im „Allerweltskino“ unlängst bewusst zwei Filme aus, bei denen dies nicht der Fall war. Wie auch bei „Du sollst nicht lieben“ genügt der Fortsetzung des Erfolgsfilms „Yossi & Jagger“ aus dem Jahr 2002 die Thematisierung der Homosexualität seiner Hauptfigur. Wolkner kommentierte, dass das Ausleben von Homosexualität in Städten wie Tel Aviv alltäglich und auch der Umgang damit in der israelischen Armee offener geworden sei, dass es allerdings gleichwohl in ultraorthodoxen Kreisen, wie sie in „Du sollst nicht lieben“ geschildert werden, nach wie vor schwierig sei, offen schwul oder lesbisch zu leben. Die anwesenden Zuschauer lobten an Eytan Fox’ Sequel insbesondere die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um einen herkömmlichen Coming-Out-Film handle und mit dem 34jährigen Yossi (gespielt von Ohad Knoller) auch kein klischeehafter Jungschwuler im Mittelpunkt stand. Dass der Film mit seiner alltäglichen Geschichte eigentlich überall hätte spielen können und gar nicht typisch israelisch sei, relativierte Wolkner aber mit den Worten: „Was an dem Film natürlich sehr stark israelisch ist, ist die Tatsache, dass das Militär omnipräsent ist.“

Text/Fotos: Frank Brenner

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