Sie dürfen noch ein paar Monate herumchaotisieren: Großbritannien bleibt Teil der EU – bis sie es nicht mehr sind. Die brexistische Großwetterlage während des Festivals „Theaterszene Europa“ in der Studiobühne dürfte also genauso verworren sein wie derzeit die Politik. Krisenmodus auf Autopilot. Ein paar britische Theatergruppen wissen immerhin, dass sie vom 8. bis 15. Juni zur Farewell-Tour nach Köln dürfen, um sich dort mit einigen deutschen Ensembles zu treffen. Da in Deutschland noch nicht alle Flüchtlingsunterkünfte abgebaut sind, könnte man die ein oder andere sicherlich bei Bedarf reaktivieren.
Ob man gleich nach Mülheim desertieren muss, sei mal dahingestellt. Das ging schon in Bertolt Brecht berühmtem „Fatzer“-Fragment nicht gut. Vier Soldaten verlassen 1917 vor Verdun ihren Tank und schlagen sich bis zur kleinen Wohnung eines Kameraden in Mülheim durch. Fatzer gebärdet sich dabei als der Egoistischste: Er versemmelt die Lebensmittelbeschaffung, schläft mit der Frau des Kameraden und versucht sich schließlich umzubringen – was die Kameraden verhindern. Die vier träumen von einer Veränderung der Gesellschaft, er wird also noch gebraucht. Doch als Fatzer die ganze Gruppe gefährdet, kommt es zur Katastrophe. „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ ist ein mythenumranktes Stück. Nie fertiggestellt, aber geadelt durch des Brechts Einschätzung: „der höchste Standard technisch“. Der kroatische Regisseur Oliver Frljić bringt Heiner Müllers berühmte „Fatzer“-Fassung auf die Bühne des Kölner Schauspiels.
Kindheitserinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg wiederum hat Swetlana Alexijewitsch für ihre Prosa „Die letzten Zeugen“ gesammelt. Es sind die Erinnerungen Jugendlicher an die Gräuel und Verbrechen des NS-Regimes an der weißrussischen Zivilbevölkerung. Alexijewitsch, die zunächst als Journalistin gearbeitet hat, bezeichnet sich selbst als „Mensch des Ohres“. Es sind die authentischen Stimmen, die sie zu einer Form der dokumentarischen Prosa komponiert: einem „Roman der Stimmen“. Das Projekt „Die letzten Zeugen“ ist eine Koproduktion des Theater im Bauturm mit dem Kryly Khalopa Theater aus Brest und dem Deutschlandfunk.
Theaterszene Europa | 8. - 15.6. | Studiobühne Köln | studiobuehnekoeln.de
„Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ | R: Oliver Frljić | 7.6. (P) | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
„Die letzten Zeugen“ | R: Jochen Langner | 12. - 14.6. je 20 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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