Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Frank Auerbach, The Origin of the Great Bear, 1967/68, Öl/Karton, 114 x 140 cm, Tate
© F. Auerbach

Menschen und Orte

27. August 2015

Frank Auerbach im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 09/15

Unter den Malern der sogenannten „London School“ war hierzulande zunächst nur Francis Bacon populär, ehe Lucian Freud mit seinen hyperrealistischen Menschendarstellungen nachzog. Dass aber im Londoner Klima der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg weitere Künstler die figürliche Malerei sozusagen neu erfunden haben, hat vor kurzem das Landesmuseum Münster in seiner Ausstellung „Das nackte Leben“ belegt. Einer der herausragenden Künstler dort war Frank Auerbach. Der heute 83-jährige Maler hat vor allem Straßenansichten und Porträts geschaffen, in denen er über Jahrzehnte die gleichen lokalen Stellen und Menschen festhält. In Bezug auf seine Malerei ist das konsequent. Auerbach fixiert Wahrnehmung, die bereits in der Wandlung begriffen ist, deren malerische Erfassung folglich etwas (vermeintlich) Schnelles hat, aber das Wesen seiner Sujets genau einfängt. Auerbachs Kunst ist die Bannung und Transzendierung mit den Möglichkeiten der Farben als pastose Materie mit breitem langgezogenem Pinselstrich.

Das Kunstmuseum Bonn zeigt nun, in einer weitgehend von Auerbach selbst zusammengestellten Auswahl, Gemälde, Zeichnungen und Radierungen von den 1950er Jahren bis heute. Der erste Befund: In der Balance von Gegenstand und Abstraktion bleibt sich Auerbach über die Jahrzehnte weitgehend treu. Noch immer ist der Pinselstrich bedeutungstragendes Gerüst für alles weitere. In den Anfangsjahren hat Auerbach dunkle massige Bilder aufgebaut, bei denen der Gegenstand wie bei einem Relief in die Farbmaterie eingelagert ist. Die Plastizität ist im Laufe der Zeit mehr und mehr zurückgegangen, heute mutet jede Formulierung ökonomisch an – mit der Gefahr, den einen berühmten Strich zu viel zu setzen. Und doch gehören seine Porträts gewiss zu den radikalsten mit dem Medium Malerei. Sensationell aber sind die Straßenszenen in Camden Town, wo Auerbach seit Jahrzehnten sein Atelier hat. Silhouetten und Schornsteine scheinen sich wie Ruinen an Kriegsschauplätzen aufzutürmen, sind ruppig abweisend und doch verbreiten diese Ortsbeschreibungen eine milde Atmosphäre. Auerbach gelingt es, die brodelnde Unruhe der Großstadt unter verschiedenen Lichtverhältnissen zu vermitteln und dabei ihre Strukturen in eine innere Ordnung zu bringen.

Es ist lange her, dass hierzulande eine derart umfassende Ausstellung von Frank Auerbach zu sehen war. Innerhalb des Programms des Kunstmuseum Bonn setzt sie die Reihe großer Überblicksschauen zu einzelgängerischen Positionen der Gegenwartsmalerei fort: etwa mit Luis Gordillo, Raoul de Keyser und Mary Heilman. Es heißt ja, die Retrospektive sei der Tod des Malgenies. Aber die Werkgenese bietet auch die Chance, Absichten und verborgene Qualitäten zu erkennen. Bei Frank Auerbach gibt es davon eine Menge.

Frank Auerbach | bis 13.9. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60

THOMAS HIRSCH

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Challengers – Rivalen

Lesen Sie dazu auch:

Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24

Aus der Perspektive neuer Medien
Louisa Clement erhält den Bonner Kunstpreis

Die Farbe der Ironie
Bonn zeigt Werkschau zu Wiebke Siem – Kunst 07/23

Aus dem Nachbarland
Dorothea von Stetten-Kunstpreis im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/22

Reise ins Körpergehäuse
Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22

Ursachen der kunstvollen Wirkung
„Passierschein in die Zukunft“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 12/21

Menschen in Räumen
Tim Eitel in der Neuen Galerie Gladbeck – Kunst in NRW 04/21

Fotografie über Fotografie

Aus der Distanz ganz nah
Bert Didillon und Hanna Kuster bei den Grölle pass:projects in Wuppertal – Kunst in NRW 03/21

Betörende Melancholie garantiert
Norbert Schwontkowski im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 01/20

Maler unterwegs
„Jetzt!“ im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/19

Früher adelten die Museen Qualität
Mehr als 500 Bilder: „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ – Kunstwandel 11/19

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!