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Massimo Gerardis "Hot Dog"
Foto: Presse

Laut und bonbonbunt

05. November 2012

Pop Art als Zeitdiagnose in Massimo Gerardis neuer Choreographie

Auch 25 Jahre nach seinem Tod beschäftigt Andy Warhol noch die Kunstszene und der Einfluss seines Werkes scheint unablässig zu wachsen. Gleich vier Mal sieht man seine Gestalt mit weißer Perücke in der neuen Produktion „Hot Dog“ des in Köln lebenden Choreographen Massimo Gerardi auftauchen, wenn zwei Tänzerinnen (Lisa Gropp, Morgane de Toeuf) und zwei Tänzer (Lusiano Ariel Lanza, Riccardo Sbrighi) in seine Maskerade schlüpfen. Auch Gerardi zählte zum kreativen Pool des movingtheatre.de, das in diesem Jahr aufgrund finanzieller Nöte zerbrach. Jetzt präsentiert Gerardi in der Alten Feuerwache ein Klang- und Bildgewitter, das die Pop Art zitiert und in besonders inspirierten Momenten Warhols Bildserien grotesk karikiert.

Eine Bühne, die aus unzähligen Firmen-Labels besteht, wird betanzt. Die Choreographie bietet wenig Neues, abgesehen von einer Szene, in der eine menschliche Barbie-Puppe erotisch-rabiat demontiert wird und dabei konventionelle Bewegungsmuster abgestreift werden können. Es gibt zahlreiche Einzelaktionen im Bühnenraum, in dem stets Kontakt mit dem verstreut um die Tanzfläche gruppierten Publikum gehalten wird. Zündende Momente ergeben sich daraus zwar nicht, aber Geradis Produktion setzt sich ein Ziel und erreicht es auch. Die Auflösung der beiden essenziellen Sujets der Kunst in plakaktive Oberflächenreize, das ist Pop Art. Liebe und Tod verlieren ihre Bedeutung, werden zu zitierten Spektakeln.

Alle Bedeutung löst sich auf, da die Werbung zum mächtigsten Instrument der Traumproduktione einer Gesellschaft wird. So positioniert Gerardi auch im Zentrum der Bühne Fernsehapparate, die unablässig Werbespots zeigen. Kommerz-Botschaften, die jeden Versuch, etwas Authentisches zu schaffen, absorbieren. Auch wenn sich Gerardi in seinen Zitaten von Modenschauen bis zum antikisierten Körperkult mitunter zu verzetteln droht. So entwickelt er doch mit den selbstbewusst agierenden Tänzern, einer grimmig bunten Kulisse, den Kostümen aus Platiktüten von Michele Lorenzini und der lärmenden, psychedelischen Musik von Michio eine in sich geschlossene Ästhetik, der ein dynamischer Kunstwille innewohnt. „Hot Dog“, das ist Nachahmung und Ironisierung der Pop Art in einer Bewegung. Dramaturgisch bleibt noch Spielraum nach oben, aber wichtiger ist, das Gerardi mit einer eigenen Handschrift Charakter zeigt.

Thomas Linden

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