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„Augen zu und durch! Drohnenkomödie“
Foto: Claudius Dziuk

Keine Gefangenen – Tod oder Leben!

28. März 2013

Thomas Wenzel inszeniert eine Drohnenkomödie in der Orangerie – Auftritt 04/13

Wenn das Licht bläulich wird, leuchtet die Schrift besonders schön: „LOVE“ steht in Neonpink auf dem Camouflage-Bikini-Höschen, das an einer quer über die Bühne gespannten Leine hängt. Natürlich handelt es sich um ein ironisch gemeintes Requisit, schließlich ist das Publikum gehalten, einer „Drohnenkomödie“ beizuwohnen. Gattungstheoretisch gedacht steht also etwas Nicht-Ernstes, Heiteres, Unterhaltsames zu erwarten. Doch das Rose-Theegarten-Ensemble sucht den tödlichen Ernst unterhalb der Oberfläche des Entertainments. Drohnen sind die unbemannten Fluggeräte, die in gegenwärtigen Kriegen den Feind ausspähen und töten. „Darf man das?“, fragen sich die Theatermacher, „Menschen töten“ und machen mutig das große Fass mit den ethischen Dilemmata auf.

Zu Beginn wird das Setting aufgebaut: ein Campingplatz. Zelt folgt auf Zelt; während der Suche nach Stangen und Heringen werden gleichzeitig die wesentlichen Fragen menschlicher Sozialität angerissen. Mein, Dein, Stärke, Schwäche, Empathie. Die dabei an den Tag gelegte Komik kommt auf leisen Sohlen daher, der erste Teil des Abends ist ein bisschen, nun ja: langweilig. Auch oder gerade weil das Ganze mit bleischweren Kurzszenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg versetzt wird. Dass die Frage nach der Legitimität des Tötens am Faschismus diskutiert wird – geschenkt. Es liegt auf der Hand, dass solch ein Riesenthema nach Komplexitätsreduktion verlangt, und für moralische Eindeutigkeiten ist der Faschismus immer gut.

Für die Arbeit an „Augen zu und durch“ hat sich das Rose-Theegarten-Ensemble mit Janosch Roloff und Talke Bläser zusammengetan, die sowohl den Kölner Theaterpreis als auch den Kurt-Hackenberg-Preis für Politisches Theater gewonnen haben. Janosch Roloff ist es dann auch, der in ironischer Brechung das Publikum befragt, ob es denn wohl alles verstanden habe. Den inneren Konflikt zum Beispiel, den er gespielt habe, während er im Zelt verschwunden sei.

Die dann folgende Nummernrevue arbeitet sich zunächst am Tyrannenmord ab. Hitler verhindern – der Wunsch jedes aufrechten Antifaschisten. Aber, unter uns: Der kleine Adolf war tatsächlich ein niedliches Baby. Kein Wunder, dass der Zeitreisende auf der Bühne es nicht schafft, den späteren Massenmörder als Säugling zu erschießen.

Auf Klamauk zur kubanischen Revolution folgt dann höherer Blödsinn zur Jagd bzw. Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden. Hier findet der Abend zu sich selbst und bekommt die Schärfe, die man sich häufiger gewünscht hätte. Slapstick wird kombiniert mit einer „Erzählung“ des Scharfschützen, der bin Laden erschossen hat, und der tatsächlich mittlerweile öffentlich darüber redet (nachzulesen zum Beispiel im Magazin „Esquire“).
Dass sich bestimmte ethische Fragen nicht auflösen lassen, sondern Dilemma bleiben müssen, ist die wenig hoffnungsvolle „Botschaft“ des Abends – oder wie es im Schlusschor heißt: „Und als ein Jahr vergangen war, da war der Kuckuck wieder da“.

„Augen zu und durch! Drohnenkomödie“ | Rose-Theegarten-Ensemble | R: Thomas Wenzel | Orangerie Köln | 12./13./14.4. 20 Uhr | www.orangerie-theater.de

SANDRA NUY

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