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„Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“
Foto: Meyer Originals

Inseln des Erzählens

23. Februar 2017

Kaurismäkis „Mädchen“ im FWT – Theater am Rhein 03/17

Schöner kann die Oase der Trostlosigkeit nicht sein als in den Filmen von Aki Kaurismäki. Die Atmosphäre riecht immer ein bisschen nach DDR. Doch so lakonisch, so einsam kann das Theater leider nie sein. Schon deshalb muss Michael Knöfler die Fließbandproduktion, die man im Film „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ in kommentarlosen Einstellungen sieht, auf der Bühne mit Worten schildern. Ausstatterin Anne Manss hat zwei Laufbänder auf die Bühne des Freien Werkstatt Theaters stellen lassen, um der Monotonie des Fließbands Ausdruck zu verleihen, zeigt damit aber auch die Körperdisziplinierungsprozesse. Pia Wagner als Iris und Michael Knöfler in allen weiteren Rollen sprinten auf den Bändern, checken an einer Theke, hinter der Musiker Yotam Schlezinger die Regler bedient, aus und ein. Das wirkt zu Beginn etwas gewollt aktualisierend, doch Simina Germans Inszenierung rafft dann geschickt den Plot zu kleinen Inseln des Erzählens zusammen, die sich mit Momenten aktivistischer Motorik oder des Surrealen abwechseln.

So geht das Essen bei den so schweigsamen wie bestimmenden Eltern in eine absurde Schlafszene auf dem Tisch über. Während Michael Knöfler zwischen (etwas zu) anbiedernder Erzählerrolle und Figurendarstellung wechselt, geht die schweigsame Iris ihren Weg. Sie entdeckt das rote Kleid als Symbol eines anderen Lebens – und fängt sich zuhause dafür mehrere Ohrfeigen ein. Sie verliebt sich in der Disko in den Schnösel Aarne, der sie schwängert und sitzen lässt. Angesichts der Dialoglosigkeit konturiert Pia Wagner ihre Figur stark über den körperlichen Ausdruck, konzipiert eine spezifische Gestik, weitet oder beschränkt nach psychischer Befindlichkeit den Bewegungsradius. Als Iris nach einem Unfall ihr Kind verliert, schreitet sie bei Kaurismäki zu einem grotesken Rachefeldzug mit Rattengift. Im FWT wird daraus ein eher gelöster Tanz, bei dem Wagner den immer wieder zu Boden stürzenden Knöfler umrundet und mit weißem Pulver bestäubt. Das wirkt zwar weniger drastisch als spielerisch, nichtsdestotrotz kann es den Eindruck des sehr guten Abends nicht stören.

„Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ | R: Simina German | 20., 21., 27.4. 20 Uhr | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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