Kinderlachen weht einem auf dem Marktplatz an der Berliner Straße in Mülheim entgegen, während Frauen und Männer entspannt vor ihren Getränken auf den Holzstühlen vor dem Glasgebäude des Cafés Club Toré verweilen. Im Hintergrund ragt der ehemalige Schutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg dominant empor, der heute als Kulturbunker Mülheim bekannt ist. ,,Die Türen sind immer offen, für alle. Wir sind ein Begegnungsort auf Augenhöhe’’, versichert Sevgi Demirkaya, die Kultur- und Projektmanagerin des Kulturbunkers.
Der Satz, der wie ein Slogan daherkommt, ist keine leere Phrase, sondern bedacht gesprochen, um Missverständnissen vorzubeugen. Demirkaya betont: ,,Wir müssen leider immer sagen, dass wir interdisziplinär in den Kulturen und offen für alle Menschen sind. Man will ja eigentlich nicht differenzieren, aber soweit sind wir leider noch nicht’’, betont Demirkaya. Im Kulturbunker finden Kulturveranstaltungen jeglicher Art statt. Hierbei spielt auch der Standort eine Rolle. Das rechtsrheinische Mülheim beheimatet als bevölkerungsreichster Stadtteil Menschen aus diversen Communitys. Doch über die Jahre hinweg hat sich der Kulturbunker auch über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen verschafft und Künstler sowie Besucher von nah und fern in seinen Bann gezogen. Sevgi Demirkaya und ihrem Team erhalten regelmäßig unzählige Anfragen von Künstlern.
Der Kulturbunker, eines von vierzehn weiteren Kölner Bürgerhäusern, legt bei der Planung von Veranstaltungen viel Wert darauf, die Lebenslagen der Menschen vor Ort und Geschichte des Stadtteils zu berücksichtigen. So wurden Menschen aus Mülheim während der Reihe,,Mülheimer Heimatministerium’’ eingeladen, sich mit dem Begriff der Heimat kritisch auseinanderzusetzen und durch diverse Aktionen ihre Umgebung gemeinsam neu zu gestalten.
Dass Transkulturalität hier wirklich zu funktionieren scheint, liegt sicher auch daran, dass die Angebote sehr niederschwellig sind und eine offene Grundeinstellung von Seiten der Initiatoren vorgelebt wird. Kinder, die vielleicht nie die Chance hätten in ein Konzert zu kommen, stolpern beinahe beim Spielen auf dem Vorplatz des Zentrums unmittelbar in eines hinein. Wer Lust hat zu bleiben, ist jederzeit willkommen. Weiterhin wird laut Demirkaya auf respektvolles Miteinander besonderer Wert gelegt, auf die Einsicht, dass unterschiedliche Kulturen eine Gesellschaft voranbringen und Perspektiven öffnen. Auch die Personalaufstellung des Hauses spielt eine Rolle, mit der die Perspektiven von Menschen mit Migrationsgeschichte in die Planung und Umsetzung eingehen. Am Ende ist sicherlich auch die persönliche Note, mit der Demirkaya und ihr Team an die Sache herangehen, maßgebend für die Stimmung im Kulturbunker. Eine Kultur kennenlernen könne man nur, in dem man sie gemeinsam feiere, sagt sie lachend und schwelgt in Erinnerungen an das persische und kurdische Neujahrsfest Newroz, das sie Anfang des Jahres gefeiert haben. ,,Ganz verschiedene Menschen kamen, haben gefeiert und getanzt. Es war so eine tolle Stimmung’’, erfreut sie sich noch immer bei dem Gedanken an das Fest und versichert im selben Satz, dass sie dies auf jeden Fall im kommenden Jahr wiederholen wollen.
FREMDE BRÄUCHE - Aktiv im Thema
bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lebendige-traditionen-bewahren-425694 | Informationen der Bundesregierung zum Schutz des immateriellen Kulturerbes in Deutschland.
unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/traditionen | Essay des Ethnologen Wolfgang Kaschuba über Bewahren und Wandel von Brauchtum.
religionen-entdecken.de/lexikon/f/feste-in-den-religionen | Kompakte Informationen zu religiösen Festen, vor allem für Kinder von 8 bis 13 Jahren.
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