„Stealing from the West“ heißt die Ausstellung zur gleichnamigen Pluriversale, die man vom 20. September bis zum 10. Dezember im Academyspace besuchen kann. Kuratiert wurde sie von der künstlerischen Leiterin der Akademie der Künste der Welt, Ekaterina Degot.
Während das Konzept der kulturellen Aneignung in Debatten oftmals als Ausbeutung anderer Kulturen durch eine weiße Minderheit interpretiert wird, befasst sich diese Ausstellung mit der kulturellen Gegenaneignung, in der man eine Form des Zurückeroberns und Weitergestaltens entdecken kann.
Das vollzieht sich in unterschiedlichster Weise: Die New Yorker Lo-Life Crew nahm das Erobern wörtlich und raubte in den 80er Jahren systematisch Ralph-Lauren-Shops aus, um sich mit dieser, der weißen Mittel- und Oberschicht vorbehaltenen Marke, einzukleiden. Ausgestellt wird neben Archivaufnahmen eine ausdrucksstarke Fotografie von Tom Gould, einem jungen neuseeländischen Fotografen, der Gangmitbegründer Thirstin Howl the 3rd und dessen Sohn für sein 2016 erschienenes Buch „Bury Me With The Lo On“ portraitiert hat. Mittlerweile rauben sie nicht mehr Fashionstores aus, sondern vertreiben ihre eigene Marke „Lo Life“ und gelten als wichtiger Einfluss für die Verbindung von Hip-Hop und High Fashion.
Auch der russische Designer Gosha Rubchinskiy sieht in der Mode die Möglichkeit, sich eine westliche Symbolik anzueignen und mit eigenem Flair zu versehen. Für seine Winterkollektion 2015 fügte er dem Tommy-Hilfiger-Logo die russische und die chinesische Flagge sowie seinen eigenen Namen in kyrillischen Lettern hinzu. Im gezeigten Video wird wiederum deutlich, wie nicht nur ein bestimmter Fashionstyle, wie er von Rubchinskiy verkörpert wird, sondern auch die Videoästhetik immer internationaler wird. Durch die Vernetzung über das Internet findet ein schnellerer Austausch und Weiterentwicklung von Ästhetik und Subkulturen statt.
Einen spielerischen Ansatz der künstlerischen Aneignung wählen die Leipziger Holmer Feldmann und Andreas Grahl, die das Projekt „Der Schrank von Ramon Haze“ initiiert haben. Aus der Sammlung des fiktiven ostdeutschen Kunsthistorikers präsentieren sie Jeff Koons’ „Two Ball Total Equilibirum Tank“ von 1984 und Constantin Brancusis „Maquette Endless Columns“ von 1916/17, die trotz optischer Referenzen eine neue, überraschende Form haben.
Die Ausstellung beweist im kleinen, überschaubaren Format, dass „Stealing from the West“ nicht zwangsläufig bedeutet, vom Westen zu stehlen, sondern es vielmehr um die Transformation von kulturellen und künstlerischen Strömungen geht.
Stealing from the West | bis 10.12. | Academyspace, Herwarthstraße 3 | academycologne.org
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