Wer den Academyspace betritt, der in einer ruhigen Seitenstraße gleich um die Ecke der trubeligen Kölner Ringe beheimatet ist, sollte Vorsicht walten lassen. Denn die Miniatur-Aufsteller, die eine silberne Zink-Spur, die durch den gesamten Raum führt, zieren, drohen rasch zu stürzen, sollte man sie beim Begehen der Ausstellung unbeabsichtigt berühren. Sie verweisen direkt zu Anfang auf die besondere Interpretation künstlerischer und ästhetischer Natur der Thematik des „Potosí-Prinzips“ und lassen andererseits die profunde Auseinandersetzung seitens des Kuratoren-Teams mit den Zusammenhängen der Ausbeutungsstrukturen des 17. Jahrhunderts in Bezug auf die heutige Weltwirtschaftsordnung erahnen.
Die Spur, die sich durch den gesamten Space zieht, ist Sinnbild für die Silberstadt Potosí. Im 17. Jahrhundert war die bolivianische Stadt die bedeutendste Minenstadt des amerikanischen Kontinents. Von dort aus flossen Mengen an Silber nach Spanien und ganz Europa, wo sie für einen bedeutsamen Kapitalschub sorgten. Viele der dabei eingesetzten Zwangsarbeiter starben. Teilweise wird vermutet, dies sei der Beginn der modernen kapitalistischen Wirtschaft gewesen.
Die Ausstellung versucht, die Kontinuität der kolonialen Ausbeutung im modernen Kapitalismus zu verdeutlichen und überträgt die Mechanismen aus dem südlichen Zentralbolivien auf unsere moderne Ökonomie. Die historischen Werke, die auf den Miniatur-Aufstellern abgedruckt sind und von zeitgenössischen Künstlern beantwortet werden, verdeutlichen die Macht kultureller Hegemonie, belegen die Zusammenhänge und sind als koloniale Bildproduktion gegenwärtiger Ökonomien zu verstehen. So wird auf das Traumgesicht von Albrecht Dürer aus dem 15. Jahrhundert, in dem er den Weltuntergang träumt, aus heutiger Perspektive mit künstlerischen Arbeiten ähnelnd einer apokalyptischen Zeiteinschätzung in Bezug auf die Klimakrise geantwortet. Die Arbeiten bedienen sich dabei grundsätzlich mannigfaltiger und wiederkehrender Themen, die die moderne Ausbeutung von Arbeitskräften als ihren Kontext verstehen, sowie den Themen Dekolonisierung, Extraktivismus, Aktivismus, Inquisition und Kapitalismus. So trägt ein Pappschild die Aufschrift „Hambi supports indigenous Resistance! DeCO2lonize now!“ und verweist auf Klimagerechtigkeit am Beispiel des Hambacher Forsts. Auch ein Flyer, der mit einem Solidaritätslied für den Streik bei Amazon aus dem Jahr 2014 bedruckt ist, sind beim Entlanggehen der Silberspur zu entdecken.
Nach bereits kurzer Zeit in der Ausstellung wird klar, dass für diesen Besuch Zeit eingeplant werden muss. Denn diese versteht sich als Archiv, das nach vierjähriger Arbeit entstanden ist. Das Kuratoren-Team, bestehend aus Andreas Siekmann und Alice Creischer, arbeitete dafür mit Künstlern aus Bolivien, China, Russland, England und Deutschland zusammen. Das Ergebnis stellt den Versuch dar, die Lücken der älteren Ausstellung „Das Potosí-Prinzip“ auszumachen, ein Projekt, das bereits vor 12 Jahren seinen Anfang nahm und sich zunächst auf den Einfluss der Silberausbeute auf die globale Weltwirtschaftsmacht fokussierte. 36 Broschüren, die als Begleithefte der künstlerischen Beiträge im Raum dienen und inhaltlich dicht angereichert sind, können an Lese-Vorrichtungen zu diesem Zweck nach eigenem Interesse studiert werden.
Potosí-Prinzip – Archiv | bis So 17.7. | Academyspace | www.adkdw.org
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