Köln: Tolerant, multikulturell – kosmopolitsch. Doch wie weltoffen ist die Stadt wirklich? Tausende Einwanderer gehören mittlerweile als fester Bestandteil zum Stadtbild, darunter zahlreiche immigrierte Kulturschaffende, die das Potential haben, das Kulturangebot bunter und vielfältiger zu machen. Doch nutzen wir dies? Wie genau wird das interkulturelle Schaffen in der Großstadt gelebt? Derlei Fragen widmet sich Miltiadis Oulios in seinem Buch „Köln kosmopolitisch – Wie wir unsere Kultur neu erfinden“, das von der Akademie der Künste der Welt in Auftrag gegeben wurde. Der Journalist und Radiomoderator Miltiadis Oulios (*1973), der bereits an mehreren Akademie-Diskussionen teilnahm, beschäftigt sich seit Jahren mit der Einwanderungsgesellschaft. Am Mittwoch las er im Haus des Greven Verlags aus dem Buch und beantwortete Fragen der Moderatorin Prasanna Oommen.
Wo wir stehen und wo wir hinwollen
„Wo stehen wir“ – das ist die Beschreibung eines Kölns im Jahre 2018 mit seiner weltoffenen, bunten und fortschrittlichen, aber auch seiner dunklen, von Bürokratie verschlossenen Seite. Letztere sei geprägt von einem immer noch existierenden Kostengefälle für „deutsche“ und interkulturelle Kulturangebote sowie Menschen und Institutionen, die sich als kosmopolitisch abbilden würden, es jedoch im tiefsten Inneren noch nicht zu sein scheinen. Das kann zu einer sich weltoffen gebenden Elite führen, in der „die alteingesessene Rentnerin im Zweifel kosmopolitischer als der moderne Manager ist“, warnt Oulios.
Neben dem, was falsch läuft, zeigt Oulios in seinem Buch auch Kölns Vorzeigemodelle auf, die für eine positive interkulturelle Entwicklung stehen. So zum Beispiel das Import Export Kollektiv des Schauspiel Köln („Real Fake“), von dem auch ein Mitglied der Lesung beiwohnte. Das Import Export Kollektiv junger SchauspielerInnen habe sich u.a. zum Ziel gesetzt, so sagt er, junge Leute ins Theater zu holen – eine Verjüngung des Publikums, die gleichzeitig auch eine größere ethnische Vielfalt bedeuten kann. Auf die Frage der Moderatorin, ob es in Zukunft mehr junge Leute im Kulturbereich geben werde, antwortete der Vertreter von Import Export: „Da ist ein Weg, der gegangen wird, ein Prozess, aber der passiert nicht von oben.“
Damit wird die Kritik deutlich: Eine Veränderung aus den höheren Rängen ist erforderlich, nicht nur in Form finanzieller Unterstützung zukunftsweisender Initiativen. Dazu gehöre auch, findet Oulios, die Stellen in entscheidungstragenden Positionen etwa im Kulturamt der Stadt bewusst multikulturell zu besetzen. Aber was hemmt eine solche Entwicklung? „Wovor haben die Kulturkonservativen Angst?“, fragt Moderatorin Prasanna Oommen und brachte es damit auf den Punkt. Eine große Rolle spielten natürlich die zur Verfügung stehenden Gelder, so Oulios. „Die, die keine Angst haben, haben meist auch die finanziellen Mittel.“ Ein weiterer wichtiger Faktor: Unkenntnis. Mit Vielfalt in Kontakt kommen, zum Beispiel durch ein diverses Arbeitsteam, bringe verschiedene Sichtweisen und könne somit die Angst vor Neuem nehmen.
Der Zugang zu interkulturellen Kulturangeboten sei noch immer für die Mehrheit der Bevölkerung verschlossen. Das Filmfestival „Tüpisch Türkisch“ habe auf diese Problematik geantwortet, indem es türkische Filme in Köln zeige. Auslöser für dieses Projekt sei die Ansicht der Veranstalter gewesen, das deutsche Fernsehen sei zu deutsch. Wer interkulturelle Filmproduktionen sehen möchte, müsse sich auf selektive Fernsehsender wie Arte zurückziehen. „Das ist ein Armutszeugnis“, findet Oulios und fordert mehr Diversität im deutschen Film.
Außerdem müssten Kulturangebote zugänglicher gemacht werden. „70% der Bevölkerung werden nicht vom öffentlichen Kulturangebot erreicht“, stellt er ernüchternd fest. „Wir sind noch immer eine Klassengesellschaft, und das mehr als wir denken.“ Statt auf eine klassische Klassengesellschaft verweist Oulios mit dieser Aussage vielmehr auf die sozialen Grenzen im Kulturbereich, die sozial benachteiligten Bürgern den Zugang zu kulturellen Bildungsstätten erschwere und so zur Existenz von „elitären Kulturtempeln“ führe, wie die KHM Köln einer sei. Grenzen, die nicht nur durch ethnische Zugehörigkeit, sondern auch durch sozialökonomischen Hintergrund und Bildung geschaffen werden. Und genau diese Grenzen gelte es zu überwinden, so Oulis, und zwar im Zuge einer – wie er auf seiner Webseite formuliert – „Kosmopolitik des 21. Jahrhunderts“. Dazu gehöre auch, dass „kulturelle Hotspots“ sich nicht mehr nur im Zentrum der Stadt befinden, sondern auch auf sozialbenachteiligte Orte verteilt werden. „In vielen Vierteln ist nichts los und somit werden diese vergessen“, bedauert er. „Was wir brauchen ist eine interkulturelle Öffnung.“
Wanted: Ein neues Leitbild
Oulios ist wichtig, in seinem Buch nicht nur die heutigen Umstände zu kritisieren und dekonstruieren, sondern ebenso zukunftsweisende Alternativen aufzuzeigen. Weltoffenheit müsse gefordert und gefördert werden. Kosmopolitisch solle nicht mehr nur ein Begriff im Munde der privilegierten Mitglieder einer höheren Schicht sein. Vielmehr solle die kosmopolitische Kultur zu einem konsensuellen Begriff werden. „Dafür ist eine tiefgreifende Strukturveränderung erforderlich, welche die Interkulturalität zum integralen Bestandteil werden lässt“, meint er. Dazu gehöre, dass im Rahmen einer kosmopolitischen Kulturpolitik interkulturelle Angebote und Initiativen bestärkt statt verunsichert würden.
Eins ist nach dieser Lesung klar: Miltiadis Oulios glaubt an die Vision eines echten, bunten Kölns. Das tolerant, multikulturell – und kosmopolitisch ist. Dafür muss nur noch einiges getan werden.
Miltiadis Oulios: Köln kosmopolitisch – Wie wir unsere Kultur neu erfinden | Greven Verlag Köln | 288 S. | 15 €
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