Die britische Tageszeitung „The Observer“ hat jüngst eine Liste der „50 wichtigsten neuen Radikalen“ der Insel veröffentlicht. Aufgeführt werden dort Personen und Projekte, die mit ihrem sozialen und politischen Engagement „auf radikale und kreative Weise“ wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität im Lande beitragen. Die Nummer 1 ist ein Unternehmen namens 3Space, das verlassene Gewerbeimmobilien übernimmt und sie kostenlos Initiativen und gemeinnützigen Organisationen für zeitlich begrenzte Vorhaben zur Verfügung stellt. Auf Platz 38 steht Pam Warhust aus der nordenglischen Kleinstadt Todmorden. Sie und ihre MitstreiterInnen haben die Gemeinde mit ihrem Projekt „Incredible Edible“ (entspricht „unvergessbar essbar“) in einen einzigen Gemüse-, Obst- und Kräutergarten verwandelt. Sogar auf einem Teil des örtlichen Friedhofs wachsen Möhren, Bohnen und Mangold. Wenn die Zeit reif ist, kann sich jeder gratis bedienen und sich nehmen, was ihm oder ihr schmeckt. Nach etwas zögerlichem Start ist „Incredible Edible“ im vierten Jahr nicht nur ein wesentlicher Faktor geworden, was die lokale Versorgung mit frischem Gemüse betrifft. Auch das Gemeindeleben hat sich zum Besseren gewandelt, dazu ist im Umland der Anteil der biologischen Landwirtschaft stark gewachsen.
100 verschiedene Tomatensorten
Inzwischen hat die Idee der „Essbaren Stadt“ auch anderswo Nachahmer gefunden – auf der Insel selbst, aber auch in Heidelberg oder Tübingen, in Minden, Zürich und Wien. Oder im nahen Andernach am Rhein. Dort werden seit 2010 von der Gemeinde regelmäßig öffentliche Grünflächen mit Gemüse für jedermann statt mit Zierpflanzen bestückt. Dank der „nachhaltigen Grünraumgestaltung“ konnte man im letzten Jahr unter 100 verschiedenen Tomatensorten wählen. Inzwischen ist auch ein Obstgarten eingerichtet, der neben hiesigen Sorten auch mit Bitterorangen, Feigen und Kaki experimentiert. Neueste Attraktion: acht Hühner der Rasse „Rodeländer“, die sich tagsüber im Schlossgarten frei bewegen. „Mit den Hühnern erhöhen wir die Attraktivität und die Lebendigkeit der Essbaren Stadt“, freut sich Oberbürgermeister Achim Hütten. Überlegt wird, ob weitere Tiere angesiedelt werden können. Auch sonst ist man am Thema: Der größte kommunale Permakultur-Garten liegt in Andernach. Permakultur umfasst sowohl die Kultivierung des Bodens unter Berücksichtigung natürlicher Kreisläufe und ökologischer Prinzipien als auch ein entsprechendes Vorgehen bei der Landschaftsplanung, der Energieversorgung oder der Ausrichtung der sozialen Infrastruktur. Dazu steht auch die internationale Vernetzung auf dem Programm. Eben ist der Kongress „Urban Green Card – die Essbare Stadt Andernach“ zu Ende gegangen, der sich mit den Potenzialen der Urbanen Landwirtschaft auseinandersetzte. Ein ganz aktuelles Thema dabei: „Wie können innovative Maßnahmen im öffentlichen Raum in die meist angespannten Haushaltssituationen eingepasst werden?“.
www.andernach.de I www.incredible-edible-todmorden.co.uk
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