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Nicht überall sind grüne Oasen in der Stadt so versteckt
Foto: Jon Witte

Tragödie oder Happy End?

25. Juli 2013

Eine (sehr) kurze Geschichte des Gartenbaus als Gemeingut – Thema 08/13 Urban Gardening

Gemeingüter haben Konjunktur. Nicht nur im Gartenbau, auch in der Wissenschaft (Open Access) oder in der Software (Open Source). Allen gemeinsam ist ein historisches Vorbild. Seit dem Mittelalter hatte fast jede Gemeinde Ackerflächen, die von allen Bewohnern gemeinsam bewirtschaftet werden konnten – die sogenannten Allmende. Diese Periode kam mit den sogenannten Einschließungen, dem Übergang des gemeinsamen Ackerlands in Privateigentum, im 18. und 19. Jahrhundert an ihr Ende. Für den britischen Sozialhistoriker E.P. Thompson waren diese Einschließungen eine perfide Taktik. Zum einen konnten Großbauern auf diese Art ehemals gemeinsam bewirtschaftetes Land unter ihre Kontrolle bringen, zum anderen stand die Landbevölkerung, wenn sie einmal ihrer Lebensgrundlage beraubt war, als billige und willige Arbeitskraft für die neuen Minen und Fabriken zur Verfügung. Andere Historiker wiederum sahen im damit verbundenen Ende der Selbstversorgungslandwirtschaft eine notwendige Voraussetzung, um Probleme der Versorgung mit Lebensmitteln in den Griff zu bekommen.

Bis heute werden im Streit zwischen den Anhängern der Gemeingüter und ihren Gegnern ähnliche Argumente ausgetauscht. Garrett Hardin schreibt in seinem vielbeachteten Aufsatz „The Tragedy of the Commons“, dass eine Gemeingüterwirtschaft zum unausweichlichen Verfall der Allmende und einem ökologischen Raubbau führt, weil sich einzelne auf Kosten der Gemeinschaft bereicherten. Deshalb sei der Privatbesitz eine brauchbare Alternative. Befürworter der Gemeinwirtschaft wie die Ökonomin Elinor Ostrom verweisen dagegen auf eine effiziente Verwaltung der Allmende in kleinen Einheiten, z. B. Kommunen. Auch freie und Open Source-Software wird immer wieder als Argument für eine funktionierende Allmende angebracht. Und das neueste, ein wenig handfestere Beispiel der Befürworter sind Gemeinschaftsgärten wie die Pflanzstelle in Kalk.

Zurück zur Geschichte. Das Problem der schlechten Versorgungslage der zu Industriearbeitern gewandelten Landbevölkerung war auch nach dem Ende der gemeinschaftlichen Subsistenzwirtschaft nicht gelöst. Niedrige Löhne machten eine teilweise Selbstversorgung mit Lebensmitteln notwendig, lange Arbeitszeiten erschwerten sie. In der Arbeiterbewegung wurde deshalb die Frage der Selbstversorgung wieder thematisiert – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Ein reformistischer Flügel propagierte städtebauliche Veränderungen. Die Gartenstadtbewegung sah vor, im Grünen auf ehemaligem Ackerland neue Städte zu bauen, die sowohl private Gärten als auch gemeinsam genutzte Gartenflächen einschloss. Damit beeinflusste sie den Arbeitersiedlungsbau bis weit in die Weimarer Republik hinein. Für den anarchistischen Flügel war Selbstversorgung Teil der Wiederaneignung der Produktionsmittel, und auch wenn sie sich damit nicht in der historischen Arbeiterbewegung durchsetzen konnten, inspirierten Neo-Anarchisten wie Colin Ward die aufkommende Landkommunenbewegung in den 1970ern.

Und die Schrebergärten? Die hat sich ein Leipziger Lehrer um 1860 als Beschäftigungsmöglichkeit für spielende Arbeiterkinder ausgedacht.Mit Gemeingut haben sie nichts zu tun.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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