Was hat es zu bedeuten, wenn man eine spontane Protestkundgebung 20 Jahre später wiederholt und kölsche Karnevalsbusinessbands „Superjeilezick“ against Rassismus und Sozialabbau spielen? Entweder hat sich in 20 Jahren nichts verändert, oder es handelt sich um eine Brauchtumsveranstaltung, die den alternden Kölschmusikern das Gefühl vermitteln soll, „wir sind mehr als geldgeile Karnevalsschlampen“, und den Kölner nebenbei ins gewünschte Koma schunkelt: „Als echte Fründe stonn mer hee all zosamme.“ Gut, dass diese sozialkritische Schunkelparty zwei Tage vor der Vorstellung der „Eckpunkte des Haushaltsplanes 2013/14“ durch den Oberbürgermeister und seine Fachdezernenten stattfand. Interessanterweise blieb hier das „Arsch huh“ bereits zwei Tage nach dem Kölner Gutmenschenrevival aus und, oh Wunder, bislang ist nicht mal eine dramatische Kürzung des Kulturetats als das Mittel im Gespräch, mit dem jahrzehntelange strukturelle Defizite ausgeglichen werden sollen.
Die mafiösen Strukturen – nein, das ist zu hart – sagen wir: Die lang gewachsenen, stabilen Netzwerke in der Kölner Stadtgesellschaft inklusive eines völlig überfinanzierten Verwaltungsapparates bleiben trotzdem unangetastet, obwohl die Stadt mit einem Haushaltsdefizit von acht Prozent (ca. 300 Mio. Euro Minus bei 3,8 Mrd. Euro Gesamtetat) kurz vor der Pleite steht. Sie droht somit, zur sozialfeindlichen und kulturfreien Zone zu mutieren – unter Abwesenheit von sozialen Standards, leistungsgerechten Bezahlungen in Sozial-, Krankenpflege oder Künstlerberufen, ohne Integrationsprojekte für sozial Schwächere und ausgegrenzte Personenkreise, ohne bezahlbaren Wohnraum etc.
Mag die jetzt endgültig gekippte Bettensteuer („Kulturförderabgabe“) juristisch auch nicht durchsetzbar gewesen sein, so ist es dennoch absolut inakzeptabel, dass sich die großen Hotelbetreiber – die mit der Attraktivität, der Lebendigkeit und kulturellen Vielfältigkeit der Stadt und neuerdings auch mit Krankenhaustouristen vornehmlich aus dem arabischen und russischen Raum einen Riesen-Reibach machen – überhaupt nicht an der Finanzierung dieser kulturellen Attraktivität und der Qualität der Gesundheitseinrichtungen beteiligen. Und auch die für den Kölntourismus als so wichtig gepriesene Messe wird vom einfachen Kölner massiv subventioniert. Der Gedanke der „Kulturförderabgabe“ war also genau richtig, man hätte das Pferd juristisch nur anders aufzäumen müssen. Gleiches gilt für die umliegenden Kreise und Gemeinden – heißen sie Hürth, Bergisch Gladbach, Euskirchen, Bergheim oder Leverkusen –, deren Einwohner voll Nutznießer der kulturellen Infrastruktur Kölns sind, ohne sich nur mit einem Euro an der Finanzierung zu beteiligen.
Man kann das hier alles problemlos äußern, weil ihr diese „Umsonst-“ und mit Mitteln aus den Kölner Kulturbetrieben über Anzeigen finanzierte Zeitung ja eh nicht lest. Oder? Das ist polemisch ... unverschämt ... klar ... aber dafür wieder mal gratis.
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