Cécile (Juliette Armanet) steht kurz davor, mit ihrem Partner in Paris ein Gourmetrestaurant zu eröffnen. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Cécile ist schwanger, ihr Vater (schrullig: François Rollin) erleidet seinen dritten Herzinfarkt. Die Köchin besucht ihre Eltern in der Provinz, begegnet dort ihrer Jugendliebe – und steht vor Entscheidungen. Amélie Bonnin folgt ihrer Heldin in „Nur für einen Tag“ (Cinenova, Odeon, UCI) berührend durch Sehnsucht, Zweifel und Schicksalsschlag. Es irritiert, was dem Ungeborenen so alles zugemutet wird. Ansonsten bleibt an dem tragikomischen Drama besonders sympathisch, dass die Protagonist:innen im Laufe der Handlung immer wieder spontan ins Singen verfallen: Kleine Musicaleinlagen aus dem Leben, die wunderbar unaffektiert und geerdet performt werden. Wie aus dem Leben.
Karla rennt - zu einer Polizeistation in München. Christina Tournatzẽs Spielfilmdebüt „Karla“ (Odeon, Weisshaus) spielt im Jahr 1962 und basiert auf einer wahren Geschichte. Karla wurde jahrelang von ihrem Vater sexuell missbraucht. Bis sie ihn mit zwölf Jahren vor Gericht anzeigt – alleine. Trotz des schweren Inhalts erzählt Tournatzẽs eine Geschichte, in der am Ende nicht Schmerz und Trauma gewinnen, sondern Mut und Menschlichkeit. Ihre Karla (herausragend gespielt von Elise Krieps) glaubt trotz ihrer traumatischen Erfahrungen an sich selbst und hat den Mut, ihre Würde einzufordern in einer Welt, die es damit nicht so genau nimmt. Karlas großes Glück ist es, dass sie an Richter Lamy (Rainer Bock) gerät, der ihr Glauben schenkt und ihren Fall tatsächlich vor Gericht bringt. Eines der schönsten Symbole des Films ist dabei, wenn Richter Lamy Karla eine Stimmgabel schenkt, als stilles Zeichen der Übereinkunft, dass es in Ordnung ist, wenn sie gewisse Dinge nicht aussprechen kann. Dass er ihrer Stimme trotzdem Glauben schenkt. „Karla“ ist nicht nur ein herausragendes Debüt, sondern eine Ode an die Menschlichkeit und den Mut, der eigenen Stimme Gehör zu verschaffen.
Einen Sportfilm sollte man nicht unbedingt erwarten, wenn Benny Safdie („Good Time“) hier die Erfolgsjahre des Mixed-Martial-Arts-Pioniers Mark Kerr Revue passieren lässt. Der von Dwayne Johnson Oscar-reif verkörperte brachiale Kämpfer hat hinter den Kulissen mit seiner Opioid-Abhängigkeit und den Fallstricken einer toxischen Beziehung (ebenfalls genial: Emily Blunt als selbstgefällige On-Off-Partnerin) zu kämpfen. Deswegen ist „The Smashing Machine“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, OFF Broadway, UCI) Darren Aronofskys „The Wrestler“ ähnlicher als Sylvester Stallones „Rocky“. Indem Safdie einen untypischen Helden voller Ideale und Ehrgeiz in den Mittelpunkt stellt, der kein strahlender Siegertyp sein muss, dürften ihm die Sympathien eines ungleich größeren Publikums sicher sein.
Außerdem neu in den Kinos: die letzte Michel-Blanc-Komödie „Wie das Leben manchmal spielt“ (Odeon) von Jean-Pierre Améris, das tragikomische Debüt „Seid einfach wie ihr seid“ (Filmhaus, am 2.10. mit der Regisseurin) von Alice Gruia, die Sportlerinnen-Doku „Pink Power“ (Cinenova, am 2.10. mit der Regisseurin) von Chiara Kempers, die episch-komische Sinnsuche „While the Green Grass Grows (Parts 1 + 6)“ (Filmhaus) von Peter Mettler, das romantische Drama „A Big Bold Beautiful Journey“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, UCI) von Kogonada und die Neuverfilmung „Momo“ von Christian Ditter.
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