
Die Gleichung ihres Lebens
Frankreich, Scheiz 2023, Laufzeit: 114 Min., FSK 12
Regie: Anna Novion
Darsteller: Ella Rumpf, Jean-Pierre Darroussin, Clotilde Courau
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Verzehrende Leidenschaft auf der Leinwand
Die Liebesformel
„Die Gleichung ihres Lebens“ von Anna Novion
Die Goldbachsche Vermutung ist eines der bekanntesten ungelösten Hilbertschen Probleme der Mathematik. Sagt Ihnen nichts? Seit über 280 Jahren beißen sich Mathematiker die Zähne an diesem Problem der Zahlentheorie aus. Da Goldbachs Vermutung bis heute weder bewiesen noch widerlegt ist, verbringen sie viel Zeit damit, endlich einen allgemeingültigen Beweis zu erbringen. Wie die Protagonistin in diesem Film. Um Zahlen und Formeln dreht sich das ganze Leben von Marguerite (Ella Rumpf), einer jungen Doktorandin an der renommierten École Nationale Superieure in Paris, die gemeinsam mit ihrem Professor an der Goldbachschen Vermutung arbeitet.
Der Professor (für diese Rolle holte Anna Novion erneut Jean-Pierre Darroussan vor die Kamera, der schon in ihrem ersten Langfilm „Wir sind alle erwachsen“ einen etwas trockenen Wissenschaftler spielte) sieht eine glänzende Zukunft in der Forschung für Marguerite. Doch völlig unerwartet schmeißt diese ihre Promotion hin, nachdem sie von Lucas (Julien Frison), einem neuen Doktoranden in der Mathe-Fakultät, während der Präsentation ihrer Dissertation vor versammelten Kollegen vorgeführt wird. Mit Mathe will Marguerite nichts mehr zu tun haben. Doch die durch und durch logisch denkende Mathematikerin in ihr macht es ihr schwer, in der oftmals unlogischen Welt außerhalb der heiligen Hallen der Wissenschaft klarzukommen. Kläglich scheitern daher ihre Versuche als Schuhverkäuferin oder Mitarbeiterin eines Meinungsforschungsinstituts. Als sie Noa (Sonia Bonny) kennenlernt, zu der sie ins Chinesische Viertel zieht, tut sich nicht nur eine viel lukrativere Verdienstmöglichkeit, sondern auch eine völlig neue Welt auf. Beim illegalen Mahjong-Spiel ist die Mathematikerin unschlagbar. Beim Clubbing, Flirten oder Daten jedoch völlig steif und unbeholfen. Hier zeigt Novion, die auch das Drehbuch schrieb, die zwei Seiten einer jungen Frau, die einerseits wie eine Superheldin außergewöhnliche Rechenfähigkeiten hat und souverän beim MahJong ihren Gegenspielern begegnet, und sich andererseits ängstlich-roboterhaft in der ihr völlig fremden Welt bewegt.
Marguerites Öffnung für das Neue, das Unbekannte, wird mit viel Empathie geschildert. Rührend die Szene, in der Marguerite Noa gesteht, dass sie noch nie einen Orgasmus hatte und lakonisch feststellt, dass sie wohl für Männer nicht attraktiv genug ist. Ella Rumpf wurde für diese Rolle mit dem Prix Lumière und dem César als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet. Die Mathematik hätte auch eine Auszeichnung verdient. Zahlen, Formeln und Gleichungen, faszinierend wie Kalligraphie, begleiten fast jede Einstellung des Films. Sie sind in den Heften Marguerites und auf den verschiebbaren Tafeln der ENS zu sehen. Und am Ende erstrecken sie sich wie ein rätselhaftes Gemälde über sämtliche Wände von Noas Wohnung. Novion bringt eine verzehrende Leidenschaft auf die Leinwand und eine Heldin, die trotz Entmutigung ihre erste Liebe nicht aufgibt und am Ende eine zweite dazugewinnt.

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