Das Konzert
Frankreich 2009, Laufzeit: 122 Min., FSK 0
Regie: Radu Mihaileanu
Darsteller: Alexeï Guskow, Dmitri Nazarov, Mélanie Laurent, Miou-Miou
Ost-West Clash
"Das Konzert" von Radu Milhaileanu
Der einstige Dirigent des berühmten Bolschoi-Orchesters ist seit der Entlassung aller Juden unter dem Kommunismus nur noch Putzmann im Orchester. Als versehentlich eine Konzertanfrage an ihn gelangt, trommelt er für das Engagement in Paris die alte Truppe zusammen. Andreï Filipov erwartet nicht mehr viel vom Leben, seit seine Karriere kurz vor seinem größten Erfolg rabiat unterbrochen wurde. Noch heute ist er davon traumatisiert, dass er mitten in der Aufführung eines Konzerts seines Lieblingskomponisten Tschaikowski rüde vom damaligen Theatermanager von der Bühne geholt wurde. Alle jüdischen Künstler wurden sofort entlassen und galten als zionistische Staatsfeinde. Nun putzt er bereits seit einigen Jahrzehnten das Theater, statt dort seine geliebte Musik aufzuführen. Als ihm zufällig ein Fax mit einer Anfrage eines Pariser Konzertsaals an das Bolschoi-Orchester in die Hände fällt, steckt er es kurzerhand in. Er will sein altes Orchester zusammentrommeln und als Bolschoi-Orchester nach Paris fahren. Als er sich auf die Suche nach seinen alten Kollegen macht, trifft er die einstigen Profimusiker als Umzugshelfer, Taxifahrer, Krankenwagenfahrer, Pornofilmmusiker, Straßenmusiker und Handyverkäufer an. Als Finanzier findet er einen eitlen Milliardär, der nicht nur die Aufzeichnungsrechte zur Bedingung macht, sondern auch, selber mitspielen zu dürfen. Leider kann er nicht spielen. Filipov hingegen macht bei den französischen Auftraggebern zur Bedingung, dass die junge Violinistin Anne-Marie Jacquet als Solistin auftreten muss. Der Jungstar weiß nichts davon, aber Andreï und Anne-Marie verbindet ein Geheimnis. Doch zunächst ist der wilde Haufen in Paris vor ganz andere Probleme gestellt.
Seit „Tahir“ von 1993 hat Radu Mihaileanu erst vier Kinofilme gemacht. Seiner zweiter Film – die tragikomische Shoa-Fantasie „Zug des Lebens“ von 1998 – hat ihn gleich berühmt gemacht. Nach „Geh und Lebe“ (2005) folgt nun mit „Das Konzert“ eine überdrehte Komödie, die zwischen Moskau und Paris hemmungslos Klischees bedient (auf der vermeintlichen Geschäftstüchtigkeit von Juden so rumzureiten, kann sich aber nur ein jüdischer Regisseur leisten). Russland – zur einen Hälfte in verstaubter Historie erstarrt, zur anderen von der neuen Oligarchie geprägt, ist ebenso dankbarer Gaglieferant wie das gestelzt kultivierte Frankreich. Das Aufeinanderprallen der überforderten Pariser mit dem chaotischen Haufen aus Russland ist das quirlige Highlight des Films. Mihaileanu spielt aber nicht die Einen gegen die Anderen aus, sondern überzieht alle mit seinem charmanten Spott, der niemanden komplett diskreditiert. Außer den Oligarchen, dessen surreale Karikatur wie der Harfe spielende Troubadix endet.
In Frankreich ist der Film bereits zum Publikumsliebling avanciert, und hierzulande wird es ähnlich laufen. Mihaileanus Satire findet den richtigen Tonfall zwischen Spott und Anteilnahme, Tragik und Humor, Gefühl und Tempo. So wirkt die in das ganze Chaos eingebaute persönliche Geschichte von Andreï (Alexeï Guskov) und Anne-Marie (Mélanie Laurent) nicht einmal aufgesetzt formelhaft, sondern kann trotz allen Humors ihren ernsten Kern im Film entfalten. Auch wenn's dann wieder mal ganz anders kommt, als man denkt.
(Christian Meyer)
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
Show halt
Die Sache mit dem Oscar – Vorspann 04/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Schöne Aussichten im Kino
Der Festivalauftakt in Berlin verspricht ein gutes Filmjahr – Vorspann 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24
Der Junge, dem die Welt gehört
Start: 2.5.2024
Zwischen uns das Leben
Start: 1.5.2024
Bad Director
Start: 9.5.2024
Robot Dreams
Start: 9.5.2024
Das Zimmer der Wunder
Start: 16.5.2024
Nightwatch: Demons Are Forever
Start: 16.5.2024
Furiosa: A Mad Max Saga
Start: 23.5.2024
Mit einem Tiger schlafen
Start: 23.5.2024
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Golda – Israels Eiserne Lady
Start: 30.5.2024
May December
Start: 30.5.2024
Rechtsextreme Terroranschläge
„Einzeltäter Teil 3: Hanau“ im Filmhaus – Foyer 02/24
Führer und Verführer
Start: 11.7.2024
Love Lies Bleeding
Start: 18.7.2024