
Dallas Buyers Club
USA 2013, Laufzeit: 117 Min., FSK 12
Regie: Jean-Marc Vallée
Darsteller: Matthew McConaughey, Jennifer Garner, Jared Leto, Steve Zahn
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Hollywood-Realismus
Raspa (399), 24.09.2014
Ich habe den Film im Kino verpasst und ihn daher erst jetzt zu Hause gesehen. Mein Eindruck ist zwiespältig. Richtig, die beiden Hauptdarsteller geben wirklich alles, daran gibt es nichts zu deuteln. Und doch war ich nicht durchweg zufrieden. Der Film hat mir zu sehr diese typische "Nach einer wahren Begebenheit - Dramaturgie", was sich z.B. in der Ärztekonstellation zeigt: Der fiese, nur den Interessen der Pharmaindustrie verplichtete Chefarzt und dagegen die menschlich mitfühlende und somit zur Außenseiterin im Krankenhaus werdende Assistenzärztin. Mein Vorkritiker hat ja auch schon darauf hingewiesen, dass man Ron, einem einfachen Elektriker, den raschen Aufstieg zum Herren eines privaten Medizinimperiums kaum zutrauen mag. Positiv ist sicher, dass man an eine Epoche, in der AIDS von vielen als reine Schwulenkrankheit angesehen wurde und man schon die bloße Berührung mit den Kranken scheute, erinnert wird. Man muss zumindest 40 Jahre alt sein, um sich dessen noch lebhaft entsinnen zu können. Daran zu erinnern ist auf jeden Fall verdienstvoll.
Sehr gut und schlecht
Das Auge (357), 02.05.2014
Matthew McC und Jared Leto ragen mit ihren Leistungen heraus, die drastisch und extrem im Leben an den Tod gemahnen und verdeutlichen, was es heisst, dem Tod geweiht zu sein und trotzdem nicht aufzugeben. Die Nachricht vom baldigen Tod führt zu einem Wandel, der vorher nicht möglich aber auch nicht notwendig schien. Dies ist alles sehr gut gespielt. Schlecht ist der Film in der Summe des Erzählten, denn viel Überflüssiges wird gezeigt, dagegen Wichtiges wird nur angerissen. Zu viel Sex (was 12jährige mit den Sex-Szenen anfangen sollen?), zu wenig Hintergrund zum Pharma-Thema, der Wandel zu abrupt und zu wenig erläutert.
Grab life by the horns
Matt513 (270), 04.03.2014
Die Rodeo-Arena, in welcher Jean-Marc Vallée seinen Film eröffnet, ist eine Metapher für Rons Leben – das schnelle, von Alkohol, Sex und Adrenalin befeuerte Dasein eines texanischen Machos. Sein Weltbild ist eindimensional und ziemlich reaktionär – Schwule sind Abschaum und diese neue Krankheit, von der die Zeitung berichtet, die fangen sich doch nur die Cocksucker ein. Doch schon seine nächste Konfrontation mit AIDS wird ihn selbst stigmatisieren und in eine Sinnkrise münden, aus der der schnelle Ron seltsam verwandelt zurückkehrt. Die Suche nach der dringend benötigten Lösung wird für ihn ein Hase-und-Igel-Rennen mit der Gesundheits- sowie der Steuerbehörde. Dabei entwickelt er eine unternehmerische Quecksilbrigkeit, die man ihm, dem ungelernten Elektriker, der seine paar Scheine an einem Bohrloch auf dem Ölfeld macht, kaum zutrauen würde. Das wirkt unrealistisch; überhaupt ist der Erzählfluß in diesem ersten Teil ein wenig zu rasch, während der Film andererseits am Ende mindestens 10 Minuten zu lang geraten ist. Der Film enthält hier ferner einen Fingerzeig auf die Skrupellosigkeit der Pharmaindustrie, die versucht, ein nicht komplett erforschtes Medikament in den Markt zu drücken.
Rons Begegnung mit dem transsexuellen Rayon komplettiert seinen sonderbaren Wandel zum Paulus. Er läßt sich zunächst nur aus geschäftlicher Notwendigkeit, voller Widerwillen auf Rayons schräge Welt ein. Doch bald bilden die zwei, die unterschiedlicher kaum sein könnten, eine regelrechte Symbiose. Rayon die schillernde Anemone, Ron der Taschenkrebs mit Panzer und Scheren, der Rayon sogar gegen einen ehemaligen Buddy in Schutz nimmt. Spielt schon McConaughey sich als Ron die Seele aus dem Leib, so schafft Leto als Rayon mit seiner sensiblen Darbietung dieses androgynen, zerbrechlichen Wesens einen fulminanten Relaunch. Beide haben für ihre großartigen Leistungen vollkommen zu Recht erst den Golden Globe und nun noch den Oscar erhalten.
Vallées Film thematisiert die Lust nach Leben. Wenn Ron seine Ärztin im Lokal trifft, über seinen Lieblingswein spricht und so ein wenig ins Flirten gerät, merkt man ihm an, wie sehr er an seinem Leben hängt, dem eines Hustlers, der aus Eigennutz handelte und darüber zum wichtigen Helfer von aussichtslos Erkrankten wird. Rayon hat ähnliche, jedoch herzzerreißende Szenen, bevor er ins Krankenhaus muß. Mir persönlich war AIDS ein wenig aus der Wahrnehmung gerückt. Dieser Film bringt die frühen Jahre der Epidemie in authentischen, schonungslosen Aufnahmen zurück, was auch am weiteren Oscar für die beste Maske ablesbar ist. Ginge ich nochmal hinein, wählte ich bestimmt die OV. Die Synchro taugt wenig; den Trailern nach würde ich auch klanglich die Originalstimmen bervorzugen wollen (und McConaughey stammt ja auch aus Texas). Alles andere bewegt sich auf sehr hohem Niveau. Ein Film, den man unbedingt gesehen haben sollte.
PS: Ich gestatte mir an dieser Stelle zu bemerken, daß mein Beitrag ohne vorherige Lektüre der Filmkritik von Kalle Somnitz verfasst wurde. Etwaige Übereinstimmungen in den gewählten Formulierungen sind daher rein zufällig.

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