Berberian Sound Studio
Großbritannien 2012, Laufzeit: 92 Min., FSK 12
Regie: Peter Strickland
Darsteller: Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Cosimo Fusco
Junges Gemüse
Matt513 (244), 26.06.2013
Zunächst möchte ich mich für tatifans Beitrag bedanken, ohne den dieser Film glatt an mir vorbeigerauscht wäre (wie sinnig - ein Film über Soundeffekte rauscht vorbei). War die ganze Woche gespannt drauf und bin nicht enttäuscht worden. Das große Bambi dann ganz allein für mich - hach! Schön :D.
Die Begegnung mit dem Splatterkino der Giallo-Ära ist für den im Naturfilm beheimateten Gilderoy ein Alptraum ohne Wiederkehr. Schon die Rückerstattung der Reisekosten entwickelt sich zur aufreibenden Odyssee. Das Tonstudio wird sein Verließ, ähnlich wie jene in den Horrorfilmchen, die hier zur Nachvertonung landen, in welchen bevorzugt junge Frauen verhackstückt werden. Wer die Briten kennt, weiß wie sehr sie sich vor peinlichen Situationen fürchten und deshalb oft nicht das sagen, was sie wirklich denken. In dieser defensiven Haltung beschert ihm die Liederlichkeit und die beleidigende Borniertheit der übrigen Studioinsassen eine kalte Gefühlsdusche nach der anderen. Der Produzent besitzt die Contenance eines Türstehers. Der Regisseur verbittet sich den Begriff Horrorfilm für sein Werk. Er redet von Kunst und Authenzität, wo er doch nur den Kick von Sex und Gewalt fürs Auge meint. Die meisten Regisseure jener Epoche dürften ähnlich getickt haben; das trifft der Film schon sehr gut. Daß der Produzent die Sprecherinnen nach Körpermaßen castet, dito.
Gilderoy bemüht sich nach Kräften, seinen Job zu machen. Er spürt ultimativen Klangeffekten nach und traktiert frisches Grünzeug mit dem Messer. Dies und was er rundherum im Studio und auf der Leinwand miterleben muß, gibt ihm den Rest. Sein Widerstand gegen dieses Trommelfeuer extremster Eindrücke bröckelt. Sind die Dinge, wie sie sind oder schon übernatürlich, so wie im Horrorfilm? Die Grenze schwindet, die Umgebung, in der er gestrandet ist, greift nach Gilderoy und wird gleichsam von ihm absorbiert.
Das ist nun ein sehr impressionistischer Film, der -abseits der sparsamen Handlung- aus Film-, Farb- und Tonfragmenten komponiert ist, aus denen sich im Kopf ein subjektives Gesamtbild formt. Dieser collagenhafte Stil ist gut gewählt, denn Phantasie ist gefragt; vom Horror auf der Leinwand z.B. kriegen wir keine Sekunde zu sehen, aber volle Lotte aufs Ohr. Den Albdruck des Toningenieurs erlebt der Zuschauer so auf vielfältige Weise – das Rattern der analogen Aufnahmetechnik, das Sirren der Tongeneratoren, das Zerhacken unschuldiger Melonen, das Faulen des geschundenen Gemüses im Mülleimer, die Spinne als universaler Bote des Unheils, die extatische Weitung der Augen der Sprecherin beim Schreckensschrei und das alles in Nahaufnahme. Nicht alles erscheint stringent, auch ein anderer Schluß wäre möglich gewesen, aber bis dahin ist man schon längst auf seine Kosten gekommen.
Denken wir an die analogen Geräuschorgien des Horrorkinos, konnten wir doch nicht anders als zu glauben, daß da wirklich junges knackiges Gemüse ;) zerkleinert wurde. Jetzt aber wissen wir, daß stattdessen junges vitaminreiches Gemüse dran glauben mußte. Ich bin unbedingt froh, diesen Film erlebt zu haben, kann mir aber vorstellen, daß den nicht jeder mögen wird. Um ehrlich zu sein, ob ich ihn 'mag', kann ich nicht sagen; er war einfach spannend, anders und genau das, wofür Programmkino da ist – eine Alternative zum konventionellen Kinoerlebnis.
PS: Und ach ja – reichlich wunderschöne Frauen sind zu sehen, von denen –welch Glück- keine verhackstückt wird :).
kann man sich schenken ...
tatifan (29), 15.06.2013
die rezensionen und der trailer lassen hoffen ... aber: irgendwann gibt man das rennen durch die handlungsebenen und angedeuteten handlungsstränge auf ... es ist weder schön, noch wichtig, noch gut gemacht ...
schade
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