Seit die Menschen das Bedürfnis verspüren, zu tanzen, lebt in ihnen die Illusion der Schwerelosigkeit. Die Trägheit des Körpers einmal hinter sich zu lassen, bleibt ein ewiger Wunsch, der uns aber eben auch an die fragile Schwere unseres Erdendaseins erinnert. Im Tanz bleiben diese Gegensätze ein Kernthema, zu dem der Berliner Felix Ruckert auf überraschend anderen Tanzpfaden vordringt. Radikal sind seine ästhetischen Ansätze und „Radikal“ soll auch das kleine aber exquisite Festival heißen, das André Jolles als künstlerischer Leiter im Rhenania zeigen wird.
So kann vom 27. November bis zum 9. Dezember in Köln rauhe Großstadtluft geschnuppert werden, wenn Jolles – der im letzten Dezember für seine Produktion „Loss of Control“ mit dem Kölner Tanzpreis ausgezeichnet wurde – seine neue Produktion „BLGRD12“ vorstellen wird. Eine Inszenierung, die auf den Erzählungen des serbischen Radioredakteurs Goran Cvetkovic beruht und von Ereignissen berichet, die sich während des zehnjährigen Balkankriegs zutrugen und bis heute nachwirken. Jolles lässt in die Produktion zugleich die Emigrationserfahrungen seines Ensembles 687performance einfließen, das sich aus europäischen, asiatischen und südamerikanischen Tänzern zusammensetzt. Die Musik des Duos Tobias Hoffmann und Max Andrzejewski treibt die wuchtige Produktion an.
Radikal stellt für Jolles Regie-Kollege Felix Ruckert auch die Reise zu den Urerlebnissen des Körpergefühls dar. „Schwellenerfahrung“ nennt der Berliner Choreograph sein Projekt, das die Atmosphäre des heimischen Neuköllner Areals von Schwelle 7 in den Rheinauhafen exportieren will. Als den „schönsten Spielplatz für Erwachsene“ bezeichnet Ruckert die „Zero Gravity Zone“, sein über drei Tage hinweg veranstaltetes Szenario, das zugleich Workshop und Performance ist und jede halb Stunde einen Start zu bieten hat. Wie fühlt es sich an, zu hängen, zu schweben, zu schaukeln, getragen zu werden und das Loslassen zu üben? Entspannend aber auch lustvoll soll es zugehen im Rhenania. Bei Ruckert kreuzen sich Tanz, Yoga, Bondage und Musik. Denn die „Verflüssigung des Körperinneren mittels Klang und Vibration“ soll von den begleitenden Musikern ermöglicht werden. Das Publikum wird also schauen können und zugleich kann es selbst ausprobieren, wie sich Grenzerfahrungen ereignen.
An Entschlossenheit steht die Niederländerin Kristel van Issum den Deutschen Choreographen in nichts nach. Niederländische Zeitungen beschreiben, wie es dem Publikum den Atem verschlägt, wenn van Issums Tänzer mit „wutschnaubender“ Energie über die Bühne jagen, oder sich gegenseitig in den „Würgegriff“ nehmen. T.R.A.S.H. heißt ihre Kompanie, die auch nach dem in den Niederlanden 2013 einsetzenden kulturellen Kahlschlag noch existieren wird. Denn die Kompanie kann sich ihrer staatlichen Zuschüsse sicher sein. Mit „Girl 29“ und „T.+ Bernadette“ zeigt van Issum zunächst ein fulminantes Solo, das sich um Themen weiblicher Identität dreht. Dann geht es in die Beziehungsschlacht, in der extrem physischer Einsatz die Tanzaktionen dominiert. Begleitet werden diese wie auch alle anderen Produktionen von Live-Musik.
choices verlost 1x2 Karten für den 27.11., 2x2 Karten für den 1.12 und 1x2 Karten für den 8.12.
Programm und Öffnungszeiten: kunsthaus-rhenania.de Karten: andrejolles@hotmail.de
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