 
		Den seit Andrew Lloyd Webbers „Cats“ die Szene beherrschenden Event-  Musicals mit ihren jahrelangen Laufzeiten scheint die Puste auszugehen.  Zur Wiederbelebung schickt man sie deshalb durch die Republik, wie jetzt  „Ich war noch niemals in New York“, das von Hamburg nach Stuttgart  wechselt. Von dort kam im vorigen Jahr „Wicked“ nach Oberhausen, das das  Ruhrgebiet aber Anfang nächsten Jahres wieder (mit unbekanntem Ziel)  verlassen wird. Oder man lässt sie nach einem halbherzigen Versuch  fallen, wie es dem großartigen „The Producers“ in Berlin erging, das man  unter dem provokanten deutschen Titel („Frühling für Hitler“) der  Original-(Film-)Vorlage sicher besser hätte vermarkten können. Nur  „Starlight Express“ steht seit über 20 Jahren in Bochum wie ein Fels in  der Brandung.
Nun streicht leider auch „Hairspray“ – wie vorher  schon „Spamalot“ – nach nur einem Jahr die Segel im Kölner Musical-Dom.  Angeblich, weil es das „Zugpferd“ Uwe Ochsenknecht wieder zum Kino und  Fernsehen zurückzieht. Dem mit ihm bisher alternierenden Tetje  Mierendorf traut man wohl nicht zu, das „Schiff“ alleine durch die  unberechenbaren (Zuschauer-)Untiefen zu steuern. Dabei ist es eigentlich  ein Glücksfall, dass man gleich mit zwei auf ihre Art einmaligen  Darstellern aufwarten kann, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen:  Ochsenknecht das gesetztere Publikum, Mierendorf die junge  Comedian-Gemeinde. Hinzu kommt noch Maite Kelly für jene  (Pop-)Generation, die vor Jahren noch Kellys Sing-Sang-Familie  ausverkaufte Hallen beschert hatte. Sicherlich ist Ochsenknecht der  ausgereifteste Schauspieler im homogenen Ensemble, was sich vor allem in  der wunderbar inszenierten „Improvisations“-Szene mit dem Ehemann  zeigt, wo er mit seinem Gefühl für präzises Timing jede Pointe  herauskitzelt. Tetje Mierendorf ist dagegen schon wegen seiner  Körpermaße jener „Hingucker“, den sich Ochsenknecht erst während der  Szene „erarbeiten“ muss. Außerdem wirkt der Musical-erfahrene  Zwei-Meter-Mann, der seine schauspielerischen Defizite durch sein  komödiantisches und gesangliches Talent wettmacht, etwas integrierter im  Gesamt-Ensemble. Letzten Endes bekommt man aber zwei gleichwertige, mit  unterschiedlichen Akzenten versehene Rollen-Interpretationen zu sehen,  die beide „erstklassig“ sind.
Und wenn Maite Kellys  „Walk-In-Cover“ Jessica Jäde ab und an die Tracy- Rolle übernimmt,  erlebt man jenes legendäre (Theater-)Märchen von der wegen Erkrankung  der Hauptdarstellerin einspringenden „Zweitbesetzung“, die über Nacht  zum Star wird. Denn Jessica Jäde singt und spricht, im Gegensatz zu der  „knödelnden“ Kelly, nicht nur mit glasklarer Stimme, sondern ist auch  tänzerisch dem „Aushängeschild“ überlegen. Was diese allerdings durch  ihre charismatische Quirligkeit wieder wettmacht. Jetzt – wo sich die  „Derniere“ nähert – könnte man deshalb die Gelegenheit nutzen, zum  Abschied mal gezielt jene Besetzung zu beklatschen, die man bei der  eigenen Premiere nicht gesehen hat. Und man kann sicher sein, es lohnt  sich.
Musical Dome I Köln am Hauptbahnhof I 0180 515 25 30 I www.hairspray.de
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