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© John F. Kennedy Presidential Library and Museum

Der mediale Mythos Kennedy

18. November 2017

John F. Kennedy in der Universitäts- und Stadtbibliothek – Kunst 11/17

Die Amtszeit des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy, war geprägt von richtungsweisenden Konflikten und Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Außenpolitisch befand sich die USA in der Hochphase des Kalten Krieges: Die Kuba-Krise brachte die Welt an den Rand eines Atomkrieges, der Bau der Berliner Mauer zementierte die duale Machtverteilung der Welt und die Zerrissenheit Deutschlands. Der Krieg in Vietnam stand kurz vor der Eskalation und die bemannte Raumfahrt feierte, auch in ständiger Konkurrenz zur Sowjetunion, seine ersten Erfolge.

Stellt man Historikern oder Politikwissenschaftlern die Frage, wie man Kennedys Amtszeit bewerten könne, erhält man darauf differenzierte, ja fast schon ernüchternde Antworten. Beispielweise bei der Podiumsdiskussion, die am 14. November in Kooperation mit dem WDR3 in der Universitätsaula stattfand. Dr. Andrew Denison, Direktor der Transatlantic Networks betont beispielsweise die Gespaltenheit der amerikanischen Bevölkerung in Bezug auf Kennedys Amtszeit: „Sein Sieg bei den Wahlen 1960 war denkbar knapp. Kennedy hatte viele offene Flanken: Er war katholisch, sehr unerfahren und hatte auch innerhalb seiner Partei viele Gegner. Nach seinem Tod hat er seinem Nachfolger Johnson viele Probleme vererbt.“


Andrang zur Eröffnung am 8. November, Foto: Ingo Botho Reize

Solch differenzierte Einschätzungen wirken deshalb so ernüchternd, weil Kennedy als Prototyp des jungen, charismatischen Politikertypus gilt. Fragt man Leute auf der Straße, ob in Deutschland oder in den USA, welcher Präsident des 20. Jahrhunderts ihnen als erstes in den Sinn kommt, würde er sicher am häufigsten genannt werden. Beispielhaft für den Mythos Kenndy steht ein Coverbild des Focus zum Thema Charisma, das Dr. Michael Köhler, Moderator der Podiumsdiskussion mitgebracht hatte. Darauf zu sehen: George Clooney, Che Guevara, Mick Jagger und ganz oben links: John F. Kennedy.

Der Mythos, so kann man während der Diskussion erfahren, fußt vor allem auf der medialen Darstellung des Präsidenten. Film- und Medienwissenschaftlerin Lisa Gotto (ifs) meint: „Bei Kennedy war die mediale Verarbeitung vielgestaltig. Er war der erste Präsident, der das noch jungfräuliche Medium Fernsehen als Möglichkeit der Inszenierung wahrnahm. Und er hatte für alle medialen Formate etwas zu bieten. Gerade für die bunten Zeitungen war die Ehe mit Jackie Kennedy, die auch eine Organisatorin der Inszenierung war, ein gefundenes Fressen. Hinzu kamen seine legendären Affären.“ Entscheidend aber waren auch sein Redetalent und seine nahezu „literarische“ (Köhler) Inszenierung als Politiker mit Vision. Dension: „Er stand für den Optimismus, die Idee der Freiheit in die Welt zu tragen und umzusetzen.“

Die Ausstellung trägt diesen Aspekten Rechnung. Trotz ihres historischen Formates und Anspruches unterstreicht sie den medialen Aspekt, der hinter dem JFK-Mythos steckt: Ikonische Bilder seines Wahlkampfes, private mit seiner Frau und seinen Kindern sowie Aufnahmen des ersten TV-Duells mit Nixon werden gezeigt. Gerade auch die künstlerische Bearbeitung der Fotos durch Elmar Dirks, der die ikonischen Fotografien Kennedys durch Scan-Vorgänge und andere technische Mittel verfremdet und überarbeitet und so eine Zwischenwelt des Digitalen und Analogen eröffnet, unterstreicht den im Zusammenhang mit Kennedy unabdinglichen Prozess der ikonographischen medialen Inszenierung.


© Aaron Vidal Courtesy of Universitäts- und Stadtbibliothek Köln

Aber auch ein anderer, gerade für Deutschland zentraler Aspekt an Kennedys Person wird betont: seine Dienstreise nach Köln und Berlin. Jost Düffler vom historischen Institut der Uni Köln meint: „Die Bereitschaft, an Kennedy zu glauben, hat bei aller Kritik in seiner Heimat, in Deutschland bis zum Ende angehalten.“ Legendär sind seine Worte „Ich bin ein Berliner“ bei seiner Rede in Berlin, mit der er den Westberlinern, aber auch ganz Westdeutschland signalisierte, dass sie auf die Unterstützung der Amerikaner bauen können. Doch auch in Köln ist Kennedy gewesen. Die Bilder, die ihn zusammen mit dem damaligen Kanzler Adenauer zeigen, könnten nicht kontrastreicher sein. Auf der einen Seite der junge, charismatische US-Präsident, auf der anderen der alte, stoische Bundeskanzler.

Der wichtigste Aspekt, der zur Mythenbildung rund um Kennedy führte, war jedoch seine Ermordung am 22. November 1963. Sein früher und tragischer Tod und all die Legenden, die sich um das Datum ranken und immer noch nicht abschließend geklärt sind, strahlen weit in die Gegenwart hinein. Die Ausstellung trägt diesen, dem wichtigsten Aspekt rund um den Mythos nur zum Teil Rechnung. Zwar werden die ikonischen Fotos gezeigt, die bei der Beerdigung entstanden sind: Jackie Kennedy hinter ihrem schwarzen Schleier, Kennedy Jr. salutierend am Grab und gerade auch die Werkserie „Dallas 1963“ des Künstlers Aaron Vidal, doch wird auf die Umstände der Ermordung kaum eingegangen.

Zwei Gründe könnten hierfür entscheidend sein: Erstens kündigte Präsident Trump im Oktober 2017 die Offenlegung von mehr als 3000 Dokumenten zum Mordfall Kennedy an. Am 27. Oktober wurden jedoch nur 2891 Geheimakten freigegeben, der Rest blieb auf Bitte des FBI, der CIA und anderer Dienste weiterhin unter Verschluss. In etwa einem halben Jahr können nach einer eingehenden Aktenprüfung weitere Dokumente veröffentlicht werden. Somit bleiben für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse immer noch genug Fragezeichen. Den zweiten Grund für die mangelnde Auseinandersetzung hat der Literaturwissenschaftler Peter Knight treffend auf den Punkt gebracht: „Akademische Historiker und Kennedy-Biografen weisen einen auffallenden Mangel an Konzentration auf die spezifischen Einzelheiten des Attentats auf … Seit den 1960er Jahren ist die Repräsentation des Kennedy-Mordes ein Feld entweder von Darstellungen über Verschwörungen geworden, die von nichtprofessionellen Geschichtsschreibern ohne Verankerung im Establishment stammen, oder von Romanciers, Künstlern und Filmemachern.“ Es scheint fast so, als herrsche Angst davor, sich mit den Umständen des Mordes auseinanderzusetzen, weil die Zuschreibung in Richtung „Verschwörungstheorien“ dann nicht lange auf sich warten lassen würde.

Bildgewaltig und faszinierend präsentiert sich die Ausstellung in der Universitäts- und Stadtbibliothek. Eine mutigere Herangehensweise an die Ermordung Kennedys hätte man sich trotzdem gewünscht.

Weiteres Rahmenprogramm:
21.11. 19 Uhr: „Forever Young – der Mythos JFK, 1963-2017“, Vortrag von PD Dr. Olaf Stieglitz
23.11. 19 Uhr: Filmvorführung „Thirteen Days“, Hörsaal A1
28.11. 19 Uhr: „Telepräs(id)ent Kennedy – Zur Live-Berichterstattung mit und um JFK“, Vortrag von Dr. Tanja Weber

John F. Kennedy | bis 31.1. | Universitäts- und Stadtbibliothek | www.ub.uni-koeln.de

Florian Holler

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