Unter ihrem neuen Künstlerischen Leiter Heiner Goebbels wird die Ruhrtriennale 2012 erstmals als „International Festival of the Arts“ antreten. Mit demselben Titel gelang es New York in den frühen 1990er Jahren, sein Image wieder aufzupolieren.
„Ich verspreche Ihnen, so etwas haben Sie vermutlich noch nicht erlebt.“ Wenn ein Intendant von einer Inszenierung, zumal einem Tanzstück, so begeistert schwärmt, dann darf man sicher Großes erwarten. Dass Heiner Goebbels, der neue Intendant der Ruhrtriennale von 2012 bis 2014, als unkonventioneller Theatermacher, Komponist und Musiker gilt, ist sein spezielles Gütesiegel. Nun outet er sich noch vor Beginn seiner ersten Spielzeit auch als unkonventioneller Intendant. Denn wer das von Goebbels so euphorisch angekündigte Highlight des Tanzes erleben möchte, muss früh aufstehen: Es startet noch vor Sonnenaufgang – und der liegt im Sommer arg früh. Dann aber wird man belohnt von einer „zauberhaften Melange“ aus Chormusik und Tanz in der Morgenröte, präsentiert von Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker und ihren Tänzerinnen und Tänzern – und von einem gemeinsamen Frühstück mit den Tänzern obendrein!
Unkonventionell ehrlich geht dieser Intendant mit Tanz und Performance um. Der Tanz wird nicht mehr als Ergänzung oder Anhängsel eines ansonsten auf Oper, Musik und Theater ausgerichteten Programms behandelt, sondern als gleichberechtigte Kunstform. Ein gewaltiger Schritt, denn wie oft wurde der Tanz schon hoch gelobt und wie schnell wieder fallen gelassen, sprich eingespart. Die Spartenschließungen auch an Rhein und Ruhr sprechen für sich.
„Der Tanz ist vermutlich die am wenigsten institutionalisierte Kunstform.“ Heiner Goebbels nüchternes Statement im Vorwort zum Programm der anstehenden Ruhrtriennale ist objektive Feststellung und zugleich harsche Kritik. Selbst ein Grenzgänger zwischen den Genres, weiß Heiner Goebbels, wovon er redet. Er kennt die Lage des Tanzes und weiß um die Schwierigkeiten, dieser Kunstform die gleichen institutionellen Voraussetzungen zu schaffen wie den anderen Performing Arts. Unmissverständlich weist er darauf hin, dass es gerade die Choreografinnen und Choreografen waren, die in den letzten zwanzig Jahren die Möglichkeiten der Darstellenden Künste erweitert und uns zum Nachdenken gebracht haben: „Nicht nur zum Nachdenken über Bewegung, sondern zum Nachdenken über unsere Körper und die Körper derer, die anders sind.“ Selten hat sich ein Intendant zur Bedeutung des Tanzes für die Künste und für die interkulturelle Entwicklung der Gesellschaften so klar geäußert. Den politisch Verantwortlichen müssen die Ohren geklungen haben! Nach solch fast schon programmatischen Erklärungen des Künstlerischen Leiters der Ruhrtriennale versprechen die drei Jahre seiner Intendantenzeit von 2012 bis 2014, für den Tanz drei spannende Jahre zu werden. Seit Gründung der Ruhrtriennale 2002 gab es noch nie so viel Tanz. So wird 2012 vorerst die tänzerischste aller Spielzeiten werden. Dafür stehen Namen wie Jérôme Bel, Laurent Chétouane, Boris Charmatz, Anne Teresa De Keersmaeker, Jan Lauwers, Mathilde Monnier und Lemi Pontifasio. Namen, die immer wieder für Inszenierungen an der Schwelle zwischen Tanz und Theater, zwischen Körperlichkeit und Sprache stehen. Zu ihrem zehnjährigen Jubiläum tritt die Ruhrtriennale erstmals ohne ein übergreifendes Motto an. Damit wird selbst der neue, schlichte Untertitel „International Festival of the Arts“ zu einer programmatischen Aussage: Die Kultur kann die Menschen zusammenbringen.
www.ruhrtriennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wurzeln inmitten von Ruinen
„Floating Seeds“ vom Theater der Keller – Prolog 06/25
„Erdig, nahbar, ehrlich“
Das Performance-Duo Katze und Krieg über „Alles wirklich“ im öffentlichen Raum – Premiere 06/25
Macheath als Clown
„Die Dreigroschenoper“ am Theater Bonn – Auftritt 05/25
Fragen als Gemeinsamkeit
„Hiob“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 05/25
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
„Das Stück wirbelt ganz schön was auf“
Schauspielerin Sonja Baum und Regisseur Martin Schulze über „Prima Facie“ am Theater im Bauturm – Premiere 05/25
Von Un-, Zu- und Glücksfällen
„Dosenfleisch“ am Schauspiel Köln – Prolog 05/25
Zwischen Begierde und Tabu
„Spring Awakening“ am Jungen Theater Bonn – Prolog 04/25
Zwischen den Fronten
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Der Übermann
„Boys don‘t cry“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 04/25
„Wir suchen Orte der Wut und Traurigkeit auf“
Dana Khamis und Judith Niggehoff vom Jugendclub Polylux über „Trauer//Fall“ am Schauspiel Köln – Premiere 04/25
Die Grenzen des Theaters
„Was ihr wollt“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Die Zukunft lauert im Egoisten
„Der ewige Spiesser“ am Theater der Keller – Auftritt 04/25
Freiheit oder Ausgrenzung?
„Draußen“ im Jugendpark Köln-Mülheim – Prolog 03/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25
„Ich erwische mich dabei, Stofftaschentücher zu bügeln“
Regisseur Sebastian Kreyer und Schauspieler Daniel Breitfelder über „Der ewige Spiesser“ am TdK – Premiere 03/25
Fixer im Dienst der Wahrheit
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25
Skurrile Denkanstöße
„Der Tatortreiniger“ am Bonner Contra-Kreis-Theater – Prolog 02/25
Das Ende der Herrlichkeit
„Der Fall Ransohoff “ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 02/25
„Es geht einzig und allein um Macht“
Regisseur Volker Lippmann über „Fräulein Julie“ am Theater Tiefrot – Premiere 02/25