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Schirmherr der Veranstaltungsreihe „Escht Kabarett“: Jürgen Becker
Foto: kiwi

Dem Nachwuchs eine Chance

01. Juni 2013

„Escht Kabarett“ hat sich zum Publikumsrenner gemausert – Komikzentrum 06/13

„Leichen im Keller gehörten bei der Kirche immer schon dazu“, sagt Jürgen Becker. Der Kabarettist kann auch erklären, wieso dem so ist. Aus Sicherheitsgründen trafen sich die frühen Christen unter der Erde – was dazu führte, dass man später die romanischen Kirchen unterkellerte und in der Krypta wichtiges, aber nicht mehr lebendes Personal wie Bischöfe und Heilige unterbrachte. Das ist nur einer von vielen interessanten Aspekten, die Becker in seinem Programm „Der Künstler ist anwesend“ unter die Leute bringt. Seit Ende 2011 ist er damit unterwegs – erfolgreich, wie sich fast von selbst versteht.

Am 25.6. tritt er im Rahmen von „Escht Kabarett“ im Büze Ehrenfeld auf – und unterstützt damit die Idee von Christian Bechmann, dem Nachwuchs eine Chance zu geben – mit Veranstaltungen, die gerade mal fünf (5!) Euro Eintritt kosten. Womit der Mann und seine Mitstreiter eine Marktlücke geschlossen haben. Schirmherr war zunächst Heinrich Pachl, der leider nicht mehr unter uns weilt. Zum Nachfolger wurde Becker gekürt, eine hervorragende Wahl, ist der Kölner doch einer jener Künstler, die sich unermüdlich für jene Menschen einsetzen, die es auf der Welt weniger gut angetroffen haben. Kurz: Er ist der richtige Mann für Bechmanns Initiative, die seit 2005 immer weitere Kreise gezogen hat – zur Freude der künstlerischen Newcomer und des Publikums.

Inzwischen gehören neben dem Büze Ehrenfeld auch Biomöbel Genske, der Altenberger Hof, das Büze Engelshof, das Freibad Kierdorf und verschiedene Krankenhäuser zu den „Escht Kabarett“-Locations. Das Konzept ist einfach und effektiv: Jeder Kleinkünstler bekommt eine Viertelstunde Zeit, um seine besten Nummern am Live-Publikum auszuprobieren. Stimmt das Tempo, kommen die Gags dort an, wo sie hingehören – nämlich im Humorzentrum der Zuschauer? Bei den moderaten Eintrittspreisen wird sich niemand darüber beschweren, wenn einer der nachwachsenden Rampensäue seinen Auftritt in den Sand setzt. Was einem alten Heimathirsch wie Becker nicht mehr passiert. Davon können sich die Besucher der Hauptschule Bülowstraße am 6.6., die des Heinrich Heine Gymnasiums in Köln-Vingst am 7.6. überzeugen. Am 11.6. ist er im Senftöpfchen-Theater zu Gast und am 276.. in der Kulturkirche – es gibt also jede Menge Gelegenheit, dem so erhellenden wie lustigen Streifzug durch die Kunstgeschichte zu folgen.

Der führt zunächst zu einem Werk, das der Brühler Surrealist Max Ernst geschaffen hat. Sein Titel: „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen. André Breton, Paul Éluard und dem Maler“. 1926 sorgte das Gemälde für einen Aufschrei der Entrüstung bei den Bewohnern der Domstadt – und dafür, dass dessen Schöpfer aus der Kirche ausgeschlossen wurde, nachdem die braven Katholiken bei einer Versammlung im Gürzenich dreimal „Pfui“ gerufen haben. Soweit zur Rezeptionsgeschichte des Bildes. Man sieht darauf eine Frau im weit ausgeschnittenen Kleid, die ihre Hand zum Schlag auf den Po des nackten Kindes auf ihrem Schoß erhoben hat. Im Hintergrund sind die Köpfe von drei Männern zu sehen, die die Jungfrau mit dem zierlichen Heiligenschein beobachten.

Der den Fernsehzuschauern als Moderator der „Mitternachtsspitzen“ vertraute Becker – der Antipode von Rausschmeißer Wilfried Schmickler – versteht sich selbst nicht in erster Linie als Kabarettist. Es sei ein unbeschreibliches Glücksgefühl, Menschen zum Lachen zu bringen, gibt er zu bedenken. Dem ließe sich hinzufügen, dass er die Zuschauer mit den Themen, die er in seinen Programmen beackert, dazu animiert, ihre kleinen grauen Gehirnzellen in Bewegung zu setzen. Da beginnt dann so manche Synapse zu jodeln – auch das: ein unbeschreibliches Gefühl. Oder sind es Purzelbäume, die das Oberstübchen macht, sobald Becker seine Schautafeln erläutert? So genau lässt sich die Wirkung nämlich nicht lokalisieren. Anders als die des Kölschs, das die Sion-Brauerei im Anschluss an die Vorstellungen spendiert – nach dem Genuss des einen oder anderen Gläschens weiß man jedenfalls genau, warum der Fahrradweg plötzlich schmaler ist als auf der Hinfahrt ... schwört wie immer hoch und heilig die Ihnen stets ergebene

ANNE NÜME

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