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„Supergutman“
Foto: kallejipp photocase

Amy und die wütenden jungen Männer

26. Oktober 2017

Theater zum Jahreswechsel im Rheinland – Prolog 11/17

Letztlich ist alles eine Frage der Medizin. Abweichendes Verhalten wird heute nicht mehr als Widerstand, als Wut oder schlicht Aggression verstanden, sondern als krankhaftes Verhalten, das medikamentierbar oder operabel ist. Das wusste so ähnlich auch schon Anthony Burgess. In seinem Kultroman „A Clockwork Orange“dreschen sich Alex und seine Droogs Nacht für Nacht durch die Stadt und drangsalieren, wer ihnen gerade in die Quere kommt. Es wird geprügelt, vergewaltigt, getötet aus purer Lust und Laune – bis Alex gefasst und einer Therapie der Verhaltenskonditionierung und möglicherweise einer OP unterzogen wird. Danach funktioniert er perfekt im Sinn der Gesellschaft. Chralotte Sprenger, eigentlich am Schauspiel Köln zuhause, inszeniert am Theater der Keller. Auch an ihrem Stammhaus prügelt sich jemand durchs Leben: In Philipp Winklers Roman „Hool“ wohnt Hooligan Heiko in Wunstorf bei Hannover auf einem Hof, wo Gangster irgendwelche Tierkämpfe veranstalten. Bei seiner Familie ist er schon lange ausgezogen, sein Vater säuft sich die Leber weg, die Mutter ist tot, seine Schwester gießt Geranien im Reihenhaus. Heikos eigentliche Familie sind seine Schlägerfreunde, die von seinem zwielichtigen Onkel angeführt werden. Sie sind die „angry young men“, die sich bei den Spielen von Hannover 96 mit den gegnerischen Hools zu Schlägereien verabreden. Man darf gespannt sein, wie sich die Schauspielgang in der Regie von Nuran David Calis schlagen.

Das Gegenteil zu Heiko ist Theo. Die Unscheinbarkeit in Person, Junggeselle, Ende dreißig, regelmäßiger Besuch bei Mama und Papa – nur nachts ergreift der moralische Furor von Theo Besitz und verwandelt ihn in den titelgebenden „Supergutman“. Dann durchkämmt er die Welt auf der Suche nach dem Immoralisator, der Verkörperung des absolut Bösen. Dramatiker Lukas Lindner ist ein Fachmann für Plots, in denen Figuren sich aus psychischer oder physischer Not in groteske Fantasiewelten hineinträumen. Sein neues Stück wird jetzt von Clara Weyde am Theater Bonn uraufgeführt. Und wenn es schon um Helden geht, dann dürfen auch die Pop-Heroen der vergangenen Jahre nicht fehlen, die kürzlich das Zeitliche gesegnet haben. Es ist eine Begegnung der Untoten, ausgedacht von Regisseurin Andrea Bleikamp. Amy Winehouse hat ihren Frieden mit Drogen und Alkohol gemacht, man hat sich auf die Vorhölle als Aufenthaltsort geeinigt – ein Schritt vor dem Untergang. Und weil das nun mal auch die Kollegen kennen, kommen sie denn auch zahlreich vorbei: Lemmy Kilmister von Motörhead, David Bowie, dessen „Heroes“ dem Abend den Titel gibt, und Prince natürlich. Gesungen wird auch, live, mit Playback und ohne, mit Musik und a capella. Ob nun Torsten-Peter Schnick oder Tomasso Teessitori den „thin white duke“ spielt – wir sind gespannt.

„Hool“ | R: Nuran David Calis | 15.12.(P) 19.30 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

„Heroes“ | R: Andrea Bleikamp | 10.-13., 24.-27.1. 20 Uhr | Orangerie | 0221 952 27 08

„Clockwork Orange“ | R: Charlotte Sprenger | 18.1.(P) 20 Uhr | Theater der Keller | 0221 31 80 59

„Supergutman“ | R: Clara Weyde | 27.1.(P) 20 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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