Lange Zeit bestand die hervorstechende Eigenschaft der Kölner Tanzszene in ihrer Bereitschaft, sich in Geduld gegenüber der Kulturpolitik des Stadtrates zu üben. Aber auch der geduldigste Künstler wird in Aktion versetzt, wenn man ihm noch die letzte Ressource nimmt. Ein Etat von drei Millionen Euro im Jahre 2009 wurde zunächst um eine Million, dann um eine weitere Million und nun im Frühjahr 2013 auf null gesetzt, nachdem die Internationale Gastspielreihe des Tanzes in Oper und Schauspiel – die zu den interessantesten Tanz-Events der Bundesrepublik zählt – eiskalt gestrichen werden sollte. Der Widerstand konnte nun also nicht ausbleiben, und auf Drängen des Aktionsbündnis Tanz ließen sich SPD und Grüne dazu bewegen, 400.000 Euro für die Gastspiele anzubieten. Wird man sich damit abspeisen lassen?
Die Talfahrt von drei Millionen auf 400.000 Euro ist rasant, zumal sich auch noch 800.000 Euro in Schall und Rauch auflösten, die für ein Tanzhaus gedacht waren, dessen Scheitern von vornherein absehbar war. Wer hat das zu verantworten? Pikanterweise waschen der Oberbürgermeister und die Parteispitzen von SPD und Grünen ihre Hände in Unschuld. Niemand weiß, wer die Gelder gestrichen hat. Eine Situation, die kein gutes Licht auf den OB und die Führungsriege der Parteien wirft.
Peter Bach, der Vorsitzende des KunstSalons und der Sprecher des Aktionsbündnisses, sagt zum Vorschlag von SPD und Grünen: „Das, was jetzt dem Rat vorgelegt wird, reicht nicht aus“. Die Losung heißt nun: „Auf in den Kampf“. Ein Wort, hinter dem sich nicht bloßer Aktionismus verbergen sollte. Denn es gibt den sachlichen Ansatz, ein Gremium zu berufen, das die Realisierung der Ziele einfordert, die im Kulturentwicklungsplan der Stadt Köln angeregt wurden. Eine Idee, die der Politik nicht schmeckt. Das ist verständlich, hätte man doch plötzlich jemanden im Rücken, der einem in die Karten schauen könnte und quengelig nach Reaktionen verlangt, die in der Vergangenheit ja stets ausblieben. Aber das Zusammenstehen der Szene in einem Bündnis, wie man es in Zahl und Entschlossenheit nie zuvor gesehen hat, vermochte erstmals, Erfolge einzufahren.
Als sich das Bündnis jetzt auf dem Gelände der EXPO XXI des Schauspiels Köln versammelte, trat auch eine formale Tatsache zutage, die noch von Bedeutung sein wird. Denn nach den Streichorgien des Rates, mit denen die Gastspiele zunächst um ein Drittel geschrumpft und dann komplett gestrichen werden sollten, stellt sich heraus, dass die Abschaffung des Tanzes nicht legitimiert ist. Da in der Satzung der Bühnen der Stadt Köln ein Dreispartenhaus gefordert ist, das aus Musiktheater, Tanztheater und Schauspiel zu bestehen hat. Um die Erhaltung des Tanzes wird man also nicht herumkommen. Ein wichtiges Detail, weil in zwei Jahren das neue Haus eröffnet werden soll und das unwürdige Gekleckere um drei oder vier Gastspiele im Jahr nicht die Antwort auf die Existenz des professionellen Tanzes an den Bühnen sein kann. Es muss also wohl oder übel eine Vision her, um sich der Realität einer Kunst zu stellen, die Teil einer kultivierten Gesellschaft ist.
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