Es trifft sich gut, dass die Ausstellung von Christopher Williams zeitgleich mit der von Lothar Baumgarten stattfindet. Beide arbeiten mit konzeptuellen Strategien, die konventionelle Vorstellungen von Kunst unterlaufen – so unterschiedlich ihre Ideen und Umsetzungen auch sind. Lothar Baumgarten präsentiert in seiner Ausstellung im Museum Folkwang die ethnographische Sammlung zum Indianerstamm der Yanomami, die er diesem Museum geschenkt hat; dazu gehören seine fotografischen Sequenzen und Filme.
Und im Museum Schloss Morsbroich sind die Fotografien von Christopher Williams (geb. 1956) ausgestellt. Williams' Aufnahmen wirken rein sachlich. Ein einzelner Gegenstand befindet sich im neutralen Bildraum, oft erinnert die Darstellung an Produktwerbung. Aber dann schaut man genauer hin und entdeckt Abweichungen, Neukombinationen und (kulturelle, gesellschaftliche) Zitate. Williams hat jedes dieser Bilder aufwändig recherchiert und realisiert; andererseits lassen die Werktitel in der peniblen Auflistung die Gegenstände für sich sprechen.
Auch die Ausstellung von Lothar Baumgarten (geb. 1944) trägt etwas sachlich Anonymes, aber sie verweist ganz unmittelbar auf seine eigene Wahrnehmungswelt. Hintergrund sind zwei längere Aufenthalte Baumgartens 1978/79 bei den Yanomami in den Wäldern zwischen Venezuela und Brasilien, die unberührt von äußeren Einflüssen leben. Im Gegensatz zu einem Ethnologen hat Baumgarten die Nähe des Stammes gesucht und in dessen Gemeinschaft gelebt; seine Sammlung ist Ausdruck dieser Verbundenheit. Baumgarten hat dies mit dem Museumsarchitekten in Essen eindringlich umgesetzt, etwa mit der linear eingepassten Präsentation der Fotografien und Wandmalereien sowie den (handschriftlichen) Beschriftungen und der Abfolge der Räume, und damit sind wir zugleich mitten in seiner eigenen Kunst, die zwischen Subjektivität und Objektivierung oszilliert. Aber man kann die Ausstellung auch so rezipieren, wie sie Baumgarten beim Presserundgang vorgestellt hat: als rein völkerkundliche Sammlung.
Übrigens teilen schon die Titel beider Ausstellungen mit, dass die Kunst hier wie da aus einem komplexen System aus Verweisen und der Transzendierung durch unsere Gegenwart entsteht. Mitunter wirken die Fotografien von Christopher Williams wie hyperrealistische Malerei, die Arbeiten von Lothar Baumgarten, die grundsätzlich kein Medium ausschließen, handeln wesentlich mit Typografie, in beiden Fällen geht es um ein Ausloten kleinster Details. Wichtig sind für beide Künstler diskrete Verfahren der Inszenierung: als inhaltliche Aufladung, auf die dann, in der formalen Umsetzung, die höchste Konzentrierung folgt. Beide Künstler entschleunigen die Bilderwut unserer Jahre, indem sie andere Kulturen bzw. vermeintlich vertraute Bilder aufrufen. Sie fragen nach Zusammenhängen und Hintergründen, auf behutsame, genau arrangierte Weise. In Essen wie auch in Leverkusen passiert dasselbe: Danach sieht man das Alltägliche unserer Zivilisation anders.
„Lothar Baumgarten, Abend der Zeit – Señores Naturales, Yanomani“ I bis 27. Mai im Museum Folkwang in Essen I www.museum-folkwang.de
„Christopher Williams – Program. For Example: Dix-Huit Lecons Sur La Société Industrielle (Revision 15)“ I bis 12. Februar im Museum Morsbroich in Leverkusen I www.museum-morsbroich.de
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