Es sind keine schönen Zeiten. Überschwemmungen in Spanien mit vielen Todesopfern, Waldbrände in Brasilien, die bereits dreimal die Fläche Bayerns vernichtet haben. Erdrutsche in der Schweiz. Dann noch die Tatsache, dass ab Januar ein krimineller Menschenfeind die Geschicke der USA lenken wird, während unsere Regierung gerade vor dem Aus steht und in der Ukraine, dem Sudan und in Gaza weiterhin Zivilisten getötet werden. Hinzu kommt eine weit verbreitete Gleichgültigkeit. Ob Schicksal von Minderheiten oder Zustand des Planeten – das scheint vielen egal zu sein. Dabei brauchen wir heute mehr denn je Menschlichkeit, Mitgefühl und Zusammenhalt.
Genau das kann man im Kinosessel lernen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Dass man dort dem Alltag für ein paar Stunden entfliehen kann, ist längst bekannt. Eine Studie aus Stanford zeigt aber auch, dass Filme dabei helfen können, Empathie und Toleranz aufzubauen. Ein Psychologenteam hat Probanden Spielfilme gezeigt. Eine Gruppe sah einen Film über Ungerechtigkeiten im US-Justizsystem, die Kontrollgruppe zwei andere Filme. Die Testpersonen der ersten Gruppe zeigten hinterher deutlich mehr Mitgefühl für benachteiligte Menschen als vorher. Laut Forscherteam liegt es daran, dass Menschen von Geschichten einfach mehr bewegt werden als von Argumenten und Statistiken. Was ein Grund wäre, dieses Jahr lauter Kinogutscheine zu Weihnachten zu verschenken.
Bewegende Geschichten gibt es im Dezember viele. Auch solche, die Empathie fördern, wie etwa „The Outrun“. Genial spielt Saoirse Ronan darin eine Alkoholikerin, die versucht, ihre Sucht zu besiegen. „A Different Man“ behandelt die Ausgrenzung von entstellten Menschen, ihre Unsichtbarkeit in der Gesellschaft und ihren Wunsch, einfach dazuzugehören. In „Toni und Helene“ geht es um das Altern und den Wunsch, in Würde zu sterben. Und in „Emilia Pérez“ will ein Drogenboss zur Frau werden. Der Dezember ist auch der klassische Monat für einen neuen „Herr der Ringe“-Film und jede Menge Familienunterhaltung. Im Prequel „Herr der Ringe – Die Schlacht von Rohirrim“ wird erzählt, was 200 Jahre vor dem Ringkrieg passierte. Den Trailer haben sich bisher über 20 Millionen Menschen angeschaut, ein deutliches Zeichen, dass diese Animé-Verfilmung zum Weihnachtshit avancieren könnte. Sie haben Kinder? Freuen Sie sich auf „Mufasa – König der Löwen“, „Die Heinzels 2“ und „Sonic The Hedgehog 3“ – Fortsetzungsfilme, die Sie bedenkenlos mit ihnen besuchen können. Wem solche Streifen zu lieblich sind, keine Bange. In „Heretic“ spielt ausgerechnet Hugh Grant die Rolle eines Irrsinnigen, der jungen Frauen mit üblen Psychospielen von ihrem Glauben abbringen will und dabei vor Mord nicht zurückschreckt. Verstörend für viele war sicher die Pandemie. Im Kino geht das Leben mit Virus weiter – in neuen, apokalyptischen Bildern. In „Rich Flu“ trifft das Virus nur Vermögende, in „Die geschützten Männer“ (bislang ohne regionalen Kinostart) nur Männer – die aber immerhin einen süßen Tod sterben, der sie nur im Zustand äußerster Erregung trifft.
Ich wünsche Ihnen eine bewegend-schöne Adventszeit im Kino.
Ihre
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