 
		Die Krankenschwester Karin befreite einst Tiere aus Versuchslaboren, wurde wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht gestellt. Sie fand aber einen verständnisvollen Richter und den der tierquälerischen Milchproduktion überdrüssigen Bauern Jan, mit dem sie auf seinem Hof „Butenland“ (Cinenova) ein Altersheim für die geschundene Kreatur Kuh gründete. Seitdem geben sie, finanziert durch Spenden, vier Dutzend von ihnen das Gnadenbrot. Dokumentarist Marc Pierschel hat das zärtliche Verhältnis der beiden zu ihren „Pflegefällen“ in einen ruhigen, uns zum mitfühlenden Beobachter machenden Bildrhythmus eingebettet. Er zeigt aber auch schlaglichtartig die Grausamkeit der Tierversuche und die Perversität von Wettbewerben für hochgezüchtete Milchkühe, deren Euter schier zu platzen scheinen. 
Gerhard (grandios trocken: Heiner Lauterbach), Karin (Maren Kroymann) und Philippa (Barbara Sukowa) sind an einem ruhigen Lebensabend angekommen. Alle langweilen sich, nur Philippa scheint als Leih-Oma im „Enkeldienst“ Erfüllung zu finden. Als sie ihre Freunde auch dazu überredet, findet Karin sich mit Dominosteinen auf dem Teppich wieder, und Gerhard klaubt plötzlich Legosteine von den Fußsohlen. Aber es sind weniger die Kinder, die den Job zum Nerventest machen, als ihre hysterischen Eltern. Die Botschaft des familienfilmaffinen Regisseurs Wolfgang Groos („Die Vampirschwestern“) ist so klar wie wertetraditionell: Kinder, hört auf die Alten, die wissen noch, worauf es ankommt. Immerhin verpackt er das Ganze als kurzweilige Feelgoodkomödie, deren Moralkeule angenehm leicht ist. Die Dienst-Großeltern haben den begeisterten Kindern viel Ungewohntes zu geben, über das sie reichlich verfügen: Zeit, Freiheit, Humor und Gelassenheit. Eine Reihe witziger Szenen holt das erste Filmdrittel so aus der ironischen Bloßstellung  junger Mamas und Papas, die ihrer pädagogischen Panik mit Dinkelbrezeln, Transfettverboten, Trillerpfeifen und GPS-Trackern entgegentreten. Bevor das in redundantem Klamauk endet, kommt der Film zu seinem eigentlichen Thema: den Seelennöten des Alters, wenn Einsamkeit um sich greift und die Angst, vielleicht nie wieder gebraucht zu werden. „Enkel für Anfänger“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Residenz, Rex am Ring, UCI) unterhält als tragikomische Kontemplation über die neuen jungen Alten. Und in seinen besten Momenten als präzise Zeitgeistsatire.
Schon in ihren letzten dokumentarischen Filmen kletterte Agnès Varda immer wieder auf die Metaebene, brachte sich selbst und ihre Arbeit vor die Kamera. Mit ihrem allerletzten Film „Varda par Agnès“ (OmU in der Filmbühne Bonn) lieferte sie einen Rück- und Einblick auf ihre Arbeit von den frühen Fotografien und ersten Filmen der 50er Jahre über ihre Experimentierfreude im Rahmen der Nouvelle Vague bis zu den späteren, selbstreflexiven Dokumentarfilmen. Varda zeigt nicht nur, wie ihre Arbeit entsteht, sondern auch, wie man sie versteht… oder verstehen sollte. Es ist ihr visuell erfindungsreiches Vermächtnis, das Agnès Varda auf der letztjährigen Berlinale noch persönlich inklusive redseliger wie anrührender Pressekonferenz vorstellte. Kurz darauf starb die so kluge wie emotionale Filmemacherin nach 90 erfüllten Jahren.
Das Kölner Odeon zeigt den Film am Sonntag, 13.2. um 11.30 Uhr im Rahmen einer Hommage à Agnès Varda. Zu Gast ist Vardas Co-Regisseur Didier Rouget, anschließend bitten die Macherinnen des Filmetzwerks LaDOC zum Empfang und zur Eröffnung einer Fotoausstellung im Kinocafé.
„J’accuse, ich klage an.“ Unter dieser Schlagzeile veröffentlichte Émile Zola 1898 einen offenen Brief an den französischen Präsidenten. Mit donnernder Rhetorik klagte er die Armee an, den jüdischen Hauptmann Dreyfus aus antisemitistischen Gründen wegen Spionage vor Gericht gezerrt und mit gefälschten Gutachten eine lebenslange Haft herbeigeführt zu haben. Der Brief schlug ein wie eine Bombe. Polanski hat den Skandal mit hochkarätiger Besetzung (Louis Garrel als Dreyfus, Mathieu Amalric als Graphologe, Jean Dujardin als investigativer Offizier Picquart) als Politkrimi verfilmt. Es mag eine filmische Selbstverteidigung Polanskis mitschwingen, der selbst wegen Vergewaltigung verurteilt wurde – den brisanten Dreyfus-Skandal bringt er in „Intrige“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus) jedenfalls mit überzeugender Verve auf die Leinwand. 
Als junges Mädchen wurde Beryl in ihrem kenianischen Heimatdorf der weiblichen Beschneidung als Teil eines traditionellen Initiationsritus unterzogen. Unter den erschreckenden Folgen hatte sie, wie viele andere Frauen, noch Jahre später zu leiden. Für ihren Dokumentarfilm „In Search…“ (OmU in der Filmpalette) hat sie sich über Möglichkeiten einer Wiederherstellungsoperation informiert und muss sich nun entscheiden, ob sie diese über sich ergehen lässt. Magoko behandelt in ihrem Film nicht nur ein ungewöhnliches und oftmals tabuisiertes Thema, sondern beleuchtet es darüber hinaus aus einem sehr persönlichen und emotionalen Blickwinkel. Deswegen ist ihr ein bewegender und mitreißender Dokumentarfilm gelungen, der auch wertvolle Aufklärungsarbeit leistet.
Beryl Magoko ist am Donnerstag, 6.2. um 18 Uhr zu Gast in der Filmpalette.
Außerdem neu in den Kinos: Marius Holsts True-Story-Thriller „Congo Murder“ (Filmpalette), Brian Kirks Actionkrimi „21 Bridges“ (Cinedom, Cineplex, UCI), Cathy Yans Comicspaß „Birds of Prey“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring, UCI, OmU im Metropolis) und Severin Fialas und Veronika Franz' Horrortrip „The Lodge“ (Cinedom, Cineplex, UCI).
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