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Andres Veiel zu Gast im Weisshaus-Kino

Positive Unruhe schaffen

04. Mai 2017

„Beuys“ im Weisshauskino – Foyer 05/17

Mittwoch, 3. Mai: Es war zwar weder die Deutschland-, noch die NRW-Premiere von „Beuys“, aber dennoch zeigte sich Peter Bach von der Filmsociety stolz, den Berlinale-Wettbewerbsbeitrag von Andres Veiel („Black Box BRD“) nun auch noch vor seinem offiziellen Bundesstart im Weisshaus-Kino dem interessierten Kölner Publikum zeigen zu können. „Köln ist eine Kunststadt und hat viel erlebt mit Beuys, deswegen musste diese Stadt auch eine eigene Premiere des Films haben“, sagte Bach bei der Begrüßung zu der von Filmsociety und Kunstsalon gemeinsam organisierten Veranstaltung, zu der im Anschluss an die Projektion dann auch der Regisseur Veiel persönlich anwesend war und sich den Fragen von Filmjournalist Daniel Kothenschulte und den Zuschauern des ausverkauften Kinos stellte. Die Ausnahmestellung des Films über den in Krefeld geborenen und in Düsseldorf an der Kunstakademie beschäftigten, weltberühmten Künstler Joseph Beuys (1921-1986), machte Bach auch an der Tatsache fest, dass es Veiel nach Gianfranco Rosi mit „Seefeuer“ erst als zweitem Regisseur gelungen sei, einen Dokumentarfilm im ansonsten für Spielfilme vorbehaltenen großen Wettbewerb der Berlinale zu platzieren.

Moderator Peter Bach

Daniel Kothenschulte lobte in seiner Moderation insbesondere die „atemberaubende Stringenz“, mit der Veiel in seinem Film den politischen Beuys eingefangen habe. Der Regisseur betonte daraufhin, dass er sich durch einen Wust von 300 Stunden Audio- und 400 Stunden Bewegtbildmaterial kämpfen musste, um seinen Film in Form zu bringen. „Die erste und größte Herausforderung für mich bestand darin, wie ich aus der Unmenge des Materials heraus eine stringente Geschichte erzählen konnte“, erläuterte Veiel. Es war ihm wichtig, dabei nicht biografisch-konventionell zu erzählen, sondern vielmehr die Punkte Werke, Ideenräume und Biografie in eine Beziehung zueinander zu setzen. Als Gerüst diente ihm hierfür zunächst eine lineare Fassung, die er dann in einer achtzehnmonatigen Schnittarbeit gemeinsam mit seinen Editoren Stephan Krumbiegel und Olaf Voigtländer in den Film „Beuys“ verwandelte. Sein Interesse für den Mann und Künstler war bereits in den späten 70er Jahren zum ersten Mal geweckt worden, 2008/09 fand Veiel dann durch eine Ausstellung von Beuys-Ideenräumen im Hamburger Bahnhof wieder zu ihm zurück und widmete sich schließlich ab 2013/14, nach Abschluss anderer Arbeiten, ausschließlich der Planung und Fertigstellung seines aktuellen Dokumentarfilms. Veiel greift darin lediglich auf fünf Gesprächspartner zurück, die aber durch ihre langjährige Verbundenheit mit Beuys und durch ihre substanziellen Aussagen zusammen mit den Werken und Aussagen des Künstlers für sich alleine stehen können.

Daniel Kothenschulte im Gespräch mit dem Regisseur

Beim Bühnengespräch durfte auch der aktuelle „Spiegel“-Vorwurf über die NS-Vergangenheit von Beuys nicht unerwähnt bleiben. Veiel betonte hier allerdings, dass er bei all seinen Sichtungen des Materials keinerlei Hinweise auf eine völkische Gesinnung des Porträtierten entdecken konnte. Vielmehr erkannte der Regisseur bei Beuys „den Wunsch, in eine mythologisch geprägte, romantische Welt einzutauchen“, mit der er sich in seinen frühen, filigranen Zeichnungen, einen eigenen Kosmos im Stile von Goethe oder Novalis geschaffen habe. Eine zusätzliche organisatorische Herausforderung habe in der Zusammenarbeit mit Witwe Eva Beuys bestanden, die als schwierig gilt. Sie habe sich auch zunächst geweigert, einen ersten Vertragsentwurf zu unterschreiben. Erst nach Sichtung von Veiels Film „Black Box BRD“ konnte sie überzeugt werden und unterschrieb ein 70seitiges Vertragswerk, in dem die Verwendung einzelner Fotografien und Werke im Detail geregelt war, Eva Beuys aber auch jegliche Einmischung in künstlerische Entscheidungen untersagt blieb. Danach habe sie das Projekt nach Kräften unterstützt. Andres Veiel sieht in den Aussagen und Ansichten von Joseph Beuys auch mehr als 30 Jahre nach dessen Tod eine große Aktualität. „Er hat bei den Menschen eine positive Unruhe geschaffen, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und dabei auch ihr politisches Bewusstsein geschärft. Er hat damals schon das Richtige gedacht, das für uns erst heute zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist“, so der Filmemacher. Ab dem 18. Mai ist „Beuys“ dann bundesweit in den Kinos zu sehen.

Andres Veiel mit seiner Interviewpartnerin Rhea Thönges-Stringaris
Text/Fotos: Frank Brenner

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