Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

12.553 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

„Swallow“
Foto: Ana Lukenda

Lob des Gafferbands

24. Januar 2017

„Swallow“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/17

„I’m here“, singt Rebecca, doch so richtig will man das nicht glauben: Ihre Stimme verliert sich im Echo, ihr Körper zuckt, sie hat sich eine Glasscherbe durch die Wange gebohrt – alles aus enttäuschter Liebe. Samantha dagegen will nie wieder Samantha sein. Sam eher. Sie/Er trägt ein Männerhemd über der Hose und stopft sich Socken als Schwanzersatz in die Hose. Anna wiederum hält Frischluft für „überbewertet“ und hat sich seit zwei Jahren in ihrer Wohnung verbarrikadiert. Sie hockt autistisch auf der Plattform eines Brettergerüsts mit Graffitiwand (Bühne: Elke Auer) und macht ironische Bemerkungen.

Stef Smiths eindrückliches Stück „Swallow“ versammelt drei Frauen, die sich in ihren Käfigen aus Angst, Verletzung, Schmerz, Selbstentfremdung oder Wut eingerichtet haben bzw. einen Ausweg daraus suchen. Man merkt deutlich den Einfluss der früh verstorbenen Sarah Kane und ihrer Analyse einer von Gewalt durchzogenen Gesellschaft – nur dass Stef Smith sich weniger für Schuldzuweisungen an die Gesellschaft als für ein Psychoseismogramm dreier Frauen interessiert. Ganz behutsam lässt sie die drei Frauen in Kontakt miteinander treten. Wie Sam und Rebecca vorsichtig Nähe zulassen und kleine Notlügen als Schutzmechanismen einbauen – das ist berührend.

Magda Lena Schlott als Sam singt ein Lob auf das Brüste abschnürende Gafferband und tastet sich mit knappen, kurzen, werbenden Repliken in ein männliches Muster vor, während die depressive Rebecca von Ines Marie Westernströer mal tobt, dann wieder hinter einem emotionalen Paravent agiert. Nicola Gründel als Anna sortiert Rigipsstücke und steigert sich allmählich in eine absurde Katastropenverantwortung, nicht ohne erste Kontakte mit Rebecca durch den Briefkastenschlitz zu knüpfen. Ohne in Kitsch zu verfallen, zeigt sich so am Ende auch ein ganz alltäglicher Hoffnungsschimmer. Regisseur Matthias Köhler gelingt mit den drei Schauspielerinnen am Offenbachplatz ein beeindruckender und berührender Abend, der nur gelegentlich unter einem allzu angestrengten musikalischen Kunstwillen (Musik: Antonio de Luca) leidet.

„Swallow“ | R: Matthias Köhler | Do 16., Sa 18.2. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Kung Fu Panda 4

Lesen Sie dazu auch:

Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24

Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24

„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24

Kaninchenbau des Hasses
„Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln

Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24

Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24

Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24

„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24

Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23

Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23

Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23

Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!