Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr präsentiert trailer auch in diesem Jahr wieder die Kleinkunst- Bühne auf der Viktoriastraße – und zwar unter dem Namen „trailer-Wortschatzbühne“. An der programmatischen Zuständigkeit hat sich dabei nichts geändert: Nach dem Motto „never change a winning team“ zeichnet wieder das AKAFÖ-Kulturbüro boskop für den Großteil der Auftritte verantwortlich, Peter Lihs von pro-motion hingegen organisiert in altbewährter Form die beiden Börsen „Soundcheck“ (für CDs und Schallplatten) und „Wortschatz“ (für gedruckte Medien).
Eine Epoche umspannt in Köln elf Jahre. Das ist genau die Zeit, die Thomas Böhm dazu verwendete, um dem Literaturhaus ein markantes Profil zu verleihen. Nicht selten kamen Autoren mit neugieriger Vorfreude an den Rhein, weil sie gehört hatten...
Nach sechs langen Jahren gibt es endlich ein neues Album der Reihe „Die geheimnisvollen Städte“ von François Schuiten und Benoît Peeters. „Die Sandkorntheorie“ erzählt im üblichen, am Steampunk angelehnten Stil mit faszinierenden Architekturfantasien von seltsamen Steinen, die in einem Apartment auftauchen, und Sandfontänen, die aus einem weiteren strömen. Am Ende lässt die stimmungsvolle Geschichte eine Lesart zu, die einen vagen Kommentar zum Verhältnis von westlicher Welt und Islam abgibt (Schreiber & Leser).
Ein in die Jahre gekommener Buchhändler aus Hannover, der sich dem Reitsport verschrieben hat, unterhält gemeinsam mit seiner Frau ein Pferd, das auf einem Hof vor der Stadt versorgt wird. Ihnen fällt ein Mädchen auf, das die Pferde hingebungsvoll striegelt und pflegt.
Von wegen Kinderbücher sind ein Segen. Das Osterfest nähert sich mit Sieben- Meilen-Stiefeln. Mir hingegen graust es jetzt schon wieder vor den faulen Eiern, die auf derlei Familienfeiern den Besitzer wechseln und fortan nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern das Leben zur Hölle machen. Mit Schaudern fällt mir zum Beispiel jene Geschichte vom kleinen Bären ein, die meiner Tochter zum dritten Geburtstag endlich die Furcht vor der Dunkelheit lehrte und seither, Nacht für Nacht, das Stromkonto belastet. Mal ganz davon abgesehen, dass in Anbetracht des hausbackenen Sprachschatzes selbst ein Testosteron geschwängertes Spatzenhirn beim Vorlesen Trübsal geblasen hätte. Leider können Kinderbücher aber auch aus genau den entgegengesetzten Gründen ins Leere führen: „Die Kleine Sensenfrau“ (°Luftschaft, 32s, € 18,50) ist solch ein traurig-schönes Beispiel.
Gott hat in Comics Hochkonjunktur. Meist – klar – als Witzfigur: Fils „Didi & Stulle“, Ralf Königs „Prototyp“ und „Archetyp“, Robert Crumbs „Genesis“ und jetzt „Faust – Der Tragödie erster Teil“ von Flix. In der Geschichte, die zuerst in der FAZ erschien, wettet der Teufel mit Gott, dass er den Berliner Taugenichts Heinrich Faust auf seine Seite zieht – man kennt die Story. Flix versetzt Goethes Thema fröhlich-dreist in die Gegenwart und kann dem einiges an Humor abgewinnen. Der Band ist hübsch im klassischen Reclam- Design gestaltet (Carlsen). Hier kommt er nur im Titel vor: „Ein Vertrag mit Gott“ markiert so etwas wie den Beginn des modernen Comics. Natürlich gab es in den 60er und 70er Jahren den Comix-Underground für Erwachsene, aber erst mit Will Eisners Werk von 1978 erhielten Comicgeschichten eine der Komplexität des Romans entsprechende Form, die Eisner sogleich Graphic Novel taufte. Ein Ausdruck, der erst 30 Jahre später seinen Siegeszug antreten sollte und sich nun auch langsam hierzulande durchgesetzt hat. Der schicke Sammelband von Carlsen vereint Eisners titelgebende Mietshausgeschichten, „A live force“ von 1983 und „Dropsie Avenue“ von 1995. Mit zwei weiteren Bänden soll die Eisner-Bibliothek bei Carlsen komplettiert werden. Um im Bild zu bleiben: Das ist unbestreitbar die Bibel der Comic-Connaisseure.
Der Aschermittwoch ist ein bescheidenes Datum. Und damit ist nicht der politische gemeint. Nubbel und Hoppeditz brannten bereits gestern für unsere irdischen und ihre nicht ganz so irdischen Verfehlungen. Längst ist zumindest die närrische Fraktion wieder damit beschäftigt, das eigene System zu reseten. In vierzig Tagen, pünktlich zu Ostern, sollte es auf Anfang stehen. Bis dahin heißt es fasten und sich, wenn schon nicht das eigene, so doch zumindest das weltliche Elend zu Gemüte führen.
Brian Fies hat in „Mutter hat Krebs“ autobiografische Erlebnisse verarbeitet. Mit seiner neuen Graphic Novel „Und wir träumten von der Zukunft“ scheint er zunächst auch Autobiografisches zu erzählen – diesmal vom Vater: 1939 gehen Vater und Sohn gemeinsam auf die Weltausstellung und sind fortan gebannt vom technischen Fortschritt. In den 40er bis 60er Jahren schwelgen sie in Zukunftsutopien, denen die Gesellschaft mit der Mondlandung rasch näher kommt. Doch dann gehen die Interessen langsam auseinander: Der Sohn findet in Angesicht von Kaltem Krieg und anderen Problemen die technische Entwicklung zunehmend problematisch, während der Vater weiter naiv staunt.
„Knüpf das Buch an einem Faden auf. Schleudere es wild herum. Lass es gegen Wände knallen“. „Brenne ein Loch in die Seiten“. „Benutze das Buch als Fliegenklatsche“. „Fahre mit dem Fahrrad über die Seiten“. Gegen diesen offenen Aufruf zur Gewalt gegen Bücher sind kleine Missgeschicke wie Kaffeeflecken, Fingerabdrücke oder Eselsohren eher Lappalien im Umgang mit dem einstmals ehrfürchtig behandelten Wissensträger. Sicher, Bücher sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Oftmals schnell zusammengeleimt, mit lieblosem Layout und schreiend geschmacklosen Titelillustrationen, laden sie nicht gerade dazu ein, sie als tröstende Begleiter bei sich zu tragen. Aber in den letzten Wochen scheint sich das Klima gefährlich zuzuspitzen, zur offenen Lynchjustiz rief die Agentur Mixtvision in ihrer Publikation „KeinBuch“ auf. Wie man ein Buch mit sadistischem Einfallsreichtum vergewaltigt, konnte man auf der Messe in Frankfurt in aller Ausführlichkeit betrachten.
Elf Jahre nach Benjamin Lebert hat die Literaturszene ein neues Wunderkind: Die 17jährige Helene Hegemann legt mit „Axolotl Roadkill“ ihren ersten Roman vor. Wie Lebert ist auch Hegemann eine Schulabbrecherin, Ihr Roman eine Aufarbeitung von Jugend und Pubertät, von Grenzerfahrungen auf dem Weg ins Erwachsensein. Doch anders als Lebert ist Helene Hegemann nicht plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht: Schon 2007 wurde das Theaterstück „Ariel 15“ der damals 15Jährigen im Berliner Ballhaus Ost uraufgeführt, kurz darauf folgte eine Hörspieladaption des Deutschlandradios. 2008 mischte Hegemann die Filmszene auf, als ihr Drehbuch- und Regiedebüt „Torpedo“ Premiere feierte. Der Film wurde mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet und lief bundesweit in den Kinos. Das Drehbuch schrieb sie bereits mit 14. In dem Episodenfilm „Deutschland 09“ spielte sie eine der Hauptrollen im Beitrag von Nicolette Krebitz. Nun also der Wechsel ins literarische Fach: „Ich hatte Lust darauf, mich den Figuren, über die ich etwas berichten will, auf eine andere Form zu nähern. Nachdem ich mit dem Schreiben begonnen hatte, habe ich über eine Literaturagentin einen Verlag gefunden.“
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
„Afrika ist mehr als Hunger und Krieg“
Autor und Influencer Stève Hiobi über sein Buch „All about Africa“ – Interview 02/25
Zwei Freunde
„Am Ende der Welt“ von Anna Desnitskaya – Vorlesung 02/25
Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25
Schrecklich komisch
Tove Ditlevsens Roman „Vilhelms Zimmer“ – Textwelten 02/25
Wem gehört Anne Frank?
„Immer wenn ich dieses Lied höre“ von Lola Lafon – Literatur 02/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Unsichtbare Krankheiten
„Gibt es Pflaster für die Seele?“ von Dagmar Geisler – Vorlesung 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25