Kunstgenuss als Wirtschaftsfaktor. Der Künstler als Gesellschaftsform. Die Installation als Selbstdarstellung dieser drei Bedeutungskategorien. Augenscheinlich spielt es auch keine Rolle mehr, ob man als Passant am Kölnischen Kunstverein vorbeihastet, oder die Räumlichkeiten mit ausreichend Zeitpolster betritt.
Was kennzeichnet die junge, aber schon etablierte Künstlergeneration, für die in den 1980er Jahren die grundlegende Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Systeme hin zur Globalisierung prägend war? Werden von ihr nicht die vorherigen Strategien der Ironisierung und der subversiven Vereinnahmung der Gesellschaft durch eine substanzielle, darin ernsthafte Hinwendung zum „Eigentlichen“ mit dem großen Entwurf der Existenz ersetzt?
Wem die blutrote Vitrine nebst Knochensäge, Schlachtengemälde oder andere Schrecken der „Napoleon und Europa“-Schau in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zu viel geworden ist, der stellt plötzlich fest, dass ein Besuch der Toilettenanlagen des
Museums vielleicht erst einmal für etwas Entspannung sorgen könnte.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass der sehr persönliche Pointilismus aus Australien die europäischen Kunstmärkte erreicht hat. Die ersten Arbeiten der Aborigines erzeugten erst einmal Staunen, schnell aber auch einen Haufen Fragen. Das Museum Ludwig zeigt jetzt exemplarisch neun der Überseekünstler, die Arbeiten stammen alle aus der Zeit nach 1960 (vergleichende Ausstellungskritik siehe „Kunst in Köln“, S.54). Auch wenn man Stil und Material der Werke inzwischen gewöhnt ist, so richtig antworten können die Bilder auf unsere Fragen nicht, denn die Gedankenwelt, in der sie entstanden sind, ist so fremd, so anders, so ungeheuer künstlerisch.
Ist es lediglich Zufall, dass diese Ausstellungen zeitgleich stattfinden, oder symptomatisch für den Kulturbetrieb? Also die Folge davon, dass in allen Bereichen des öffentlichen Lebens der US- und Eurozentrismus zunehmend infrage gestellt wird und heutige Beiträge ferner Kulturen in ihrem (ästhetischen, inhaltlichen) Reichtum jenseits einer vordergründigen Exotik entdeckt werden? Und zur Globalisierung gehört, dass wir aus dem Fremden lernen können und einen neuen Blick auf unsere Umgebung werfen. Jedenfalls, das Museum Ludwig, das Rautenstrauch-Joest-Museum und das Museum für Ostasiatische Kunst zeigen in ihren aktuellen Sonderausstellungen unabhängig voneinander außereuropäische Kunst im Spannungsfeld von Tradition und Moderne, Überlieferung und Neuerung.
Ein Wasserfall aus Dosen. Flimmern aus allen Ecken. Hochglanzfotos auf Alu-Dibond. Die Künstler in den Metropolen Afrikas scheinen strategisch in der Kunstwelt der Ist-Zeit angekommen. Aber in der Ausstellung „Afropolis“ pulsiert ein Leben, das nur auf den ersten Blick und maximal marginal mit den Megacities der Industriewelt mithalten kann und will. Kairo, Lagos, Nairobi, Kinshasa und Johannesburg sind so anders, so archaisch, so mitreißend. Die erste Sonderschau im Neubau des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums präsentiert aktuelle Arbeiten von aus Europa und Afrika stammenden Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Genres, zwischen künstlerischen Recherchen, dokumentarischem Material und künstlerischer Reflexion. Es werden Arbeiten aus den Bereichen Grafik, Malerei, Fotografie, Skulptur, Installation, Film- und Videokunst, aber auch Design, Comics und Weblogs gezeigt. Eine kritische Auseinandersetzung zwischen Multimedia und Kolonialismus, großartig inszeniert, bildet nur eine Etage unter den musealen Sammlungen von afrikanischen Holzspeeren und Ritualmasken.
24 Lote aus Drahtgeflecht an roten Hanfseilen sind das zentrale Dreh- und Anstoßelement im weißen Raum. Wenn man sie leicht anstößt, gerät der Kreis, in dem sie aufgehängt sind, aus der Geometrie, dann bringen die Objekte die Verhältnisse ins Wanken (Liz Mields-Kratochwill, 2008).
Ganz aktuell ist die Eröffnung des Kulturquartiers am Neumarkt. Dort wo sich früher die Haubrich-Kunsthalle mit dem Kölnischen Kunstverein befand und sehr lange nur ein riesiges Loch zu bestaunen war, ist nun das Rautenstrauch-Joest-Museum hingezogen, gemeinsam mit dem Museum Schnütgen unter einem Dach; dessen sanierter Anbau leitet zur romanischen Kirche St. Cäcilien mit dem Cäciliengarten. Mit St. Peter und seinen Ausstellungen auf der einen Seite und auf der anderen mit dem Forum der Volkshochschule findet hier – hoffentlich – ein Dialog der verschiedenen Kulturen der Welt bis in die Gegenwart und noch mit den Zeugnissen des Mittelalters statt. Mal sehen, ob sich das Warten gelohnt hat.
Nach der Sommerpause melden sich Düsseldorf und Köln als herausragende Kunststädte am Rhein eindrucksvoll und gemeinsam zurück.
Die Sensation sieht man im Skulpturenpark zunächst nicht. Aus einem zylindrischen Krater ragt eine Metallstange: Von oben blickt man auf ein Autowrack, das sich durch einen Aufprall um diese Stange gewickelt hat und sozusagen den schrecklichen Unfall konserviert. Der Betrachter wird zum Voyeur. Über einen Steg, der an der Wand entlang in die Tiefe verläuft, sieht er das Auto aus allen Perspektiven und schließlich von unten. Minutiös wird potentielle Sensationsgier rekonstruiert, zugleich formuliert sich ein erstklassiges Kunstwerk unserer Tage, das Geschwindigkeitswahn und die Grenzen des Fortschritts thematisiert. Für das Werk von Dirk Skreber ist die Arbeit konsequent: Skreber ist eigentlich Maler, der auf riesengroßen Leinwänden realistisch Katastrophen wiedergibt und sich zuletzt, in Ausschnitten, besonders Fahrzeugcrashs zugewendet hat. Daneben hat Skreber seine Gemälde immer wieder in architektonischen Konstruktionen inszeniert, bis sich diese selbst als eigener künstlerischer Beitrag erwiesen, nun ganz ohne Malerei.
Geschosse umarmen
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Harter Stoff
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Unverbindliche Dialoge
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Mehl-Dialoge
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Sand, Eis, Kreide, Raum
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Geschichten des Lebens
Anna Boghiguian im Museum Ludwig – kunst & gut 02/25
Geister, Feuer, Poesie
Drei mythische Ausstellungen in Köln – Galerie 02/25
Aus der Natur
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Wege aus dem Bild
Drei Kölner Ausstellungen mit bewegten Wesen – Galerie 01/25
„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25
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Vorgarten der Unendlichkeit
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Vorwärts Richtung Endzeit
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Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
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Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24