Im Atelier am Rathenauplatz holt Thomas F. Fischer Luft: die Arbeit ist getan, die Installation im Garten in Weiß aufgebaut und die Eröffnung mit vielen Gesprächen gelungen. Nun werde er während der Ausstellung die planen Kartonflächen im Gelände wieder ausrichten. Wind und Wetter hätten ihre Spuren hinterlassen, im wachsenden Gras verschwänden die Tafeln allmählich – aber das sei ja schon wieder gut, ganz im Sinne der Arbeit. Die Ausstellung von Thomas F. Fischer hat mit Vergehen und Vergänglichkeit zu tun. Sie handelt vom Wechsel der Orte, vom Reisen, von den Erfahrungen dabei sowie von den Erinnerungen, die man daran hat. Sie heißt „D'JAVU.21..crossroads“ und schließt an seine letztjährige Schau im Neuen Kunstforum am Alteburger Wall an, die „D'JAVU.16..crossroads“ betitelt war. Im Neuen Kunstforum bildeten Bahnen aus Teerpappen modellhaft ein Wegesystem, an dem alltägliche und persönliche Dinge abgelegt waren. Viele davon finden sich jetzt in Weiß wieder, als Habseligkeiten neben dem Zickzack der Strecken aus Pappen: Koffer, ein Rucksack, ein Kartenspiel – die Installationen von Thomas F. Fischer sind autobiographisch fundiert zwischen Verortung und Ortlosigkeit, der Suche nach dem, was Heimat ausmacht, und dem Entwurzelt-Sein. Er hat in Weiß an einer der beiden Hütten Malereien von Roma-Kindern aufgehängt, welche er vor drei Jahren in einem Malkurs begleitet hat. Bilder daraus wurden innerhalb der Ausstellung „Die vergessenen Europäer“ 2008/09 im Kölnischen Stadtmuseum gezeigt, eröffnet mit einer Performance von ihm.
Für die Ausstellung in Weiß hat Thomas F. Fischer „survival is an artform“, mit (lichtechter) Acryllackfarbe immer wieder und ohne Abstand auf die Folgen der Pappen geschrieben. Dies ist erst allmählich zu entschlüsseln, dann geht die Songline, die von dem Songwriter und Schriftsteller Mick Farren stammt, nicht mehr aus dem Kopf. Hier spielt sie – zumal in der sturen, suggestiven Repetition, mit der sich der Text durch alle Bereiche des Gartens zieht – auf das Untrennbare von Kunst und Leben an, auf die künstlerischen Qualitäten existenzieller Äußerung, schließlich auf die Brüchigkeit des Lebens und auf dessen Ausnahmezustand.
Blumen im Gelände
Auch wenn Thomas F. Fischer ebenso mit Ausstellungen in den letzten Jahren in Erscheinung getreten ist, etabliert hat er sich mit seinen Performances, die ganz einfach, aber erschütternd sind und noch den Geist von Fluxus tragen. Sie bestehen etwa aus dem Zurücklegen einer kurzen Distanz, kriechend oder in seinem Rollstuhl, dazu das Aufsagen eines Textes, z.B. mit einer Rose im Mund. Ähnliche und andere Performances hat Thomas F. Fischer europaweit durchgeführt, auch auf der documenta 1987 und beim Performance-Festival in der Shedhalle Zürich 1989. Ging es ihm früher besonders um die Riten des Alltags, so ist seine Kunst seit einigen Jahren eminent kritisch gegenüber Globalisierung, Ausbeutung und politischer Macht. Er bringt seine Betroffenheit über die Vertreibung von Völkern zum Ausdruck und er hat in einer Performance der Toten der Atombomben gedacht. Diese Aktionen sind ausgesprochen reduziert, beschränken sich auf eine einfache Geste, teils nur auf einen Satz.
Geboren 1954 in Köln, gelernter Schriftsetzer, hat Thomas F. Fischer an der Amsterdamer School of Fools bei Jango Edwards gelernt, war dann Mitglied einer Theatertruppe, mit der er mit „Ubu Roi“ und Josef Papp's „naked Hamlet“ in Frankreich, Polen und Portugal auf Tournee war. Anschließend hat er an der Fachhochschule Köln bei Daniel Spoerri und Renate Lewandowski studiert und ist seitdem als Performance-Künstler und Zeichner tätig. Wichtig für seine Kunst wurden die unmittelbaren Einflüsse: die pulsierende Kunstszene Kölns vor allem in den 1970er und 1980er Jahren mit dem nächtlichen Leben in den Kneipen und der Independent- und Rockmusik; so gibt er 1986 das Fanzine „den nachen deuen“ heraus. Die Schrift erweist sich – neben der brüchigen Linie, mit der er in seinen Zeichnungen Körperlichkeit und deren Verletztheit umreißt – bis heute als zentrales Stilmittel. Bei Ausstellungen hat Thomas F. Fischer etwa den Raum dicht mit Kalenderblättern bedeckt, auf denen er sein tägliches Programm vermerkt hat, sozusagen als Hinweise auf das tägliche Befinden und als Tagebuch: einerseits diskret, andererseits in schonungsloser Offenheit.
Diese persönliche Verbindlichkeit schwingt nun auch in Weiß mit. Das sukzessive Durchqueren des Gartens, die Textzeile, die Objekte weisen auf Thomas F. Fischer selbst, sind aber ins Allgemeine übertragbar. Und indem auf manchen der Pappen die Aufdrucke der Ursprungsorte und damit ihre ursprünglichen Zwecke erkennbar sind, werden die Prozesse von Konsum und Ausbeutung angesprochen. Und dann sind da noch die kleinen Feinheiten, die Thomas Fischer wie beiläufig eingestreut hat, die Blumen im Gelände oder die Objekte an den beiden Schuppen: mögliche Symbole, leicht und außersprachlich. Alles gehört dazu, als Splitter des Lebens.
„Thomas F. Fischer: D'JAVU.21“ I Bis 4.9. I Skulptur Draussen, Weisser Hauptstraße 52 in Köln I Sonntags 11-19 Uhr I 0178 692 83 58
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