Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

„Die schmutzigen Hände“
Foto: Thilo Beu

Kleines Revoluzzer-Bienchen

29. März 2018

Sartres „Die schmutzigen Hände“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 04/18

Der politische Mord an Parteiführern ist aus der Mode gekommen. Ein Anschlag auf Merkel oder Nahles aus Gründen der GroKo: undenkbar. In Jean-Paul Sartres 1942 entstandenem Drama „Die schmutzigen Hände“ ist das noch anders. Der junge Kader Hugo ermordet den Parteichef Hoederer, weil der mit monarchistischen und liberalen Kräften gegen die fremde Besatzungsmacht paktieren will. Das Stück wird in einer Rückblende nach Hugos (Manuel Zschunke) Entlassung aus dem Gefängnis erzählt, das in Marco Štormans Bonner Inszenierung offenbar das Theater selbst ist. Smart schlendert der Mörder durch die Brandschutztür im Hintergrund auf die bis auf die Drehscheibe leere Bühne. Einem Verhör der Parteigenossen entzieht er sich mit ironischen Wendungen. Die Erinnerung an seinen früheren naiven Idealismus katapultiert ihn zurück in seine Beziehung mit der jungen Jessica (Maya Haddad). Sie ist das geheime Zentrum der Aufführung. Mit ihrem zwischen Koketterie und Sarkasmus changierenden Spieltrieb nimmt sie ihr „kleines (Revoluzzer-) Bienchen“ in die Mangel. Sie spannt ein gewaltiges hermeneutisches Zelt auf, das Verweise auf Politik als Spiel, das Theater als Spiel und sogar jedes Sozialverhalten als Spiel annonciert – mit der Maßgabe, jederzeit in den Ernst wechseln zu können. Ihr élan vital ist ideologischem Starrsinn weit überlegen, doch ihr spielerisches Spiegelkabinett erfordert ein Höchstmaß an Selbstvertrauen und Menschenkenntnis – über die Hugo nicht verfügt. So ist Jessica den Verlockungen Hoederers durchaus gewachsen, den Daniel Breitenfelder als hochgewachsenen feinsinnigen Menschenfänger mit strategischem Charme spielt.

Regisseur Marco Štorman lässt gelegentlich ein paar Fahnen von Fantasiestaaten und -unternehmen herunterfahren, zitiert Revoluzzer- und Parteiikonographie (Strategiedebatten, Bombenlegergetue, Schlägerattitüde) – das Cowboy- und Indianerspiel ist nie weit, wenn die Partei ernst macht. Und so ermordet Hugo allem ideologischen Briefing zum Trotz Hoederer letztlich doch eher aus Eifersucht als aus strategischen Gründen. Da der Zweck bekanntlich die Mittel heiligt, hat die Partei am Ende doch bekommen, was sie wollte.

„Die schmutzigen Hände“ | R: Marco Štorman | 22.4. 18 Uhr, 28.4. 19.30 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Wohin die Assoziationen führen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn

Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24

Mörderische Gesellschaftsstruktur
Georg Büchners „Woyzeck“ am Bonner Schauspiel – Auftritt 01/24

Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Nicht gerade familientauglich
„Frankenstein Junior“ an der Oper Bonn – Musical in NRW 10/23

Fluch der tragischen Rache
„Rigoletto“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 10/23

Doktrin des American Dreams
„Von Mäusen und Menschen“ am Theater Bonn – Prolog 08/23

Kampf durch Klang
„Der singende Teufel“ ungekürzt an der Oper Bonn – Oper in NRW 05/23

Zäh fließt er dahin, der Rhein
Theater Bonn: „blut wie fluss“ – Theater am Rhein 04/23

Die Reste unserer Existenz
„blut wie fluss“ am Theater Bonn – Prolog 03/23

Im Labor der Altbauwohnung
„Der Haken“ am Theater Bonn – Prolog 01/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!