choices: Herr Hoffmann, wie hoch ist das strukturelle Defizit der Stadt aus Ihrer Sicht?
Klaus Hoffmann: Das strukturelle Defizit beläuft sich – laut Haushaltsplan 2012 bis 2015 – im Schnitt pro Jahr auf 250 Millionen Euro„Schulden in 10 Jahren verdoppeln. Dabei sind Pensionsverpflichtungen, Renovierungsstau bei Gebäuden und Infrastruktur noch unzulänglich abgebildet. Außerdem werden die Steuereinnahmen in den kommenden 5 Jahren kaum um 25% steigen – das ist deutlich zu optimistisch geschätzt. Um dieses Ziel zu erreichen, bräuchte es gravierende und wirtschaftsschädigende Steuererhöhungen.
Was sind die wichtigsten Ursachen für das Defizit?
Es fallen insbesondere die hohen Personal-, Versorgungs- und Transferaufwendungen auf. Sie machen über die Hälfte des gesamten Haushalts aus. Dazu haben sich teure Einzelmaßnahmen wie der Bühnenetat, der Neubau der Flora, das jüdische Museum oder der Rheinboulevard gesellt. Laufende Defizite im Kulturbereich, Aufwendungen für die Ausweitung der Kinderbetreuung, schlechtes Management der Gebäudewirtschaft und eine verkommene Infrastruktur verschlingen viel Geld. Allein für den Schuldendienst müssen jährlich ca. 140 Millionen Euro aufgewendet werden, trotz niedrigster Zinsen.
Wo sollte aus Ihrer Sicht im städtischen Haushalt gekürzt werden?
Kürzen sollte man zunächst bei uns Politikern selbst. Um den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Stadt dem Sparwillen des Rates Glaubwürdigkeit zu verleihen, sollten wir Ratsmitglieder auf 30% unserer Aufwandsentschädigung verzichten. Ebenso ist die im Haushalt geplante Erhöhung der Geldleistungen an die Ratsfraktionen von einem Drittel gegenüber dem Ergebnisplan von 2010 kein Ausdruck von Sparwillen und sollte zurückgenommen werden. Die Sanierungen an Brücken und Museen, den Ausbau von Kitas etc. zu verschieben, ist der falsche Weg. Das würde später hohe Folgekosten verursachen.
Reicht Sparen allein?
Nein. Sparsam und wohlbedacht mit den Finanzressourcen umzugehen, hat noch nie geschadet. Aber wirklich und langfristig gesehen sind strukturelle Reformen angesagt.
Welche strukturellen Reformen schlagen Sie vor?
Ein langfristiger, sozial ausgewogener Abbau der Personalkosten ist unvermeidbar. Hierzu gehören Verwaltungsabläufe vereinfacht und Aufgaben gestrichen. Hierarchiestufen müssen abgebaut, die Zahl der Stadtbezirke überprüft, Großbauprojekte hinterfragt werden. Bei der Entscheidung über neue Projekte müssen deren Folgekosten wichtiger genommen werden. Regionale Kooperationen, etwa im Kulturbereich, sollten mittelfristig verwirklicht werden. Eine Veräußerung von städtischem Eigentum darf kein Tabu sein. Ebenso wenig wie Preiserhöhungen bei Oper und Theater. Selbstverständlich müssen die Kommunen darauf drängen, dass der Bund und das Land die Kosten für Transferleistungen in angemessener Weise tragen. Die Freien Wähler Köln stehen zu dem Satz: „Liebe Deine Stadt“! Aber dazu gehört eine solide Haushaltsplanung.
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