Es wird viel von der zunehmenden Überalterung des Kinopublikums gesprochen. Nicht, dass es schlimm ist, dass immer mehr ältere Menschen in die Kinos strömen – ganz im Gegenteil. In die weitere Zukunft geblickt, wirft die Entwicklung aber Fragen auf. Doch man könnte stattdessen auch mal von der Verjüngung der Filmemacher sprechen. Denn die wird dafür sorgen, dass auch die jüngeren Zuschauer dem Kino erhalten bleiben.
Anders als beispielsweise Musiker sind Filmemacher meist schon weit in ihren 30ern, bevor sie ihre ersten Werke einem größeren Publikum vorstellen können. Nach dem Studium muss man mit Kurzfilmen etwas Renommee einfahren, bevor es heißt, das erste größere Projekt anzuschieben: eine Idee haben, ein Script ausarbeiten, eine Produktionsfirma suchen und sich dann für die diversen Fördertöpfe bewerben, denn finanziell kann man das sonst kaum stemmen. Das dauert Zeit, auch wenn man nur einen Anlauf braucht, um eine Förderung zu erhalten. Dann muss das Drehbuch ausgearbeitet und meist noch mehrfach umgeschrieben, schließlich eine Crew und ein Cast gefunden werden. Dann erst wird gedreht, geschnitten, die Postproduktion darf auch noch ran und am Ende kommt der Film dann vielleicht auch ins Kino. Inzwischen sind vielleicht fünf Jahre vergangen! Einer, der es anders gemacht hat, ist Rainer Werner Fassbinder. Mit 25 hat er seinen ersten langen Kinofilm gedreht, mit 30 waren es schon über 20 Spielfilme. Dieses kompromisslose Machen ist die Ausnahme. Ein Ahne Fassbinders ist der oft als Wunderkind apostrophierte Xavier Dolan, der bereits mit 20 Jahren seinen ersten Spielfilm gedreht hat. Jetzt ist er 27 und sein sechster Film „Einfach das Ende der Welt“ startet Ende des Jahres auch in den deutschen Kinos.
Filmemacher wie Fassbinder oder Dolan sind Individualisten, die mit kleinen unorthodoxen und unorthodox gedrehten Filmen beginnen und sich ihren Weg suchen. Inzwischen scheint es aber auch einen Trend zu geben, bereits jungen Filmemachern Geld für größere Projekte anzuvertrauen. Das kann auch Johannes Hensen, Programmleiter des Film Festival Cologne (7.-14. Oktober) mit Blick auf das diesjährige Programm bestätigen. Dort findet man überraschend viele „verhältnismäßig große Projekte, die von unter 30-Jährigen gedreht wurden“, so Hensen. Auch Dolans Film ist hier zu sehen. Noch im September lief mit „My First Lady“ ein gelungenes Debüt in den Kinos, das für Aufmerksamkeit bis ins Weiße Haus sorgte: Der Film des 31-jährigen Richard Tanne erzählt vom ersten Date von Michelle und Barack Obama. Über mangelnde Aufmerksamkeit können sich Daniel Kwan und Daniel Scheinert, deren Debüt im Oktober in Deutschland startet, auch nicht beklagen. Die Story von „Swiss Army Man“ setzt eine haarsträubende Prämisse und klingt alles andere als massenkompatibel. Dennoch hat das junge Regie-Duo nicht nur ein Budget von mehreren Millionen Dollar erhalten, sondern konnte für seinen Film auch die Stars Paul Dano und Daniel Radcliffe, den ehemaligen Harry-Potter-Darsteller, gewinnen. Das Honorar wird sie kaum für den Job eingenommen haben, eher die kompromisslosen Ideen. Auch wir sind begeistert! Wetten, der Film zieht vor allem junges Publikum ins Kino...
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