Masken können der Vermummung oder Verkleidung dienen, ihre Wurzeln haben sie vor allem in religiöser beziehungsweise spiritueller Handlung. Doch sie sind auch politisch.
Als Diplomat kommt man nicht umhin bei Staatsbesuchen Geschenke zu machen und zu erhalten. Ein Geschenk kann wohlwollend stimmen und Gesprächsthemen fernab des politischen Geschehens anregen. Man darf sich also vorstellen, dass die ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens und Walter Scheel einige solcher Masken als Geschenk entgegennehmen konnten. Während Museen auf Authentizität in ihrer Sammlung wert legen, also Objekte mit Gebrauchsspuren und die damit einhergehende Aura, sind Staatsgeschenke häufig neugefertigt. Als Zeichen der Würdigung des Gastes.
Die seit drei Jahrzehnten aufbewahrten Staatsgeschenke befanden sich unsichtbar in der Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland, das Rautenstrauch-Joest-Museum hat die Sammlung nun öffentlich gemacht und in ihre Dauerausstellung integriert. „geschenkt! - die Gabe der Diplomatie“ offenbart dabei das Selbstbild des Schenkenden, aber auch dessen Wertschätzung des Empfängers. Besonders aufschlussreich sind dabei die vorbereitenden Korrespondenzen zu den ausgewählten Aufmerksamkeiten: „Präsident ist interessierter und erfahrener Süßwasserzierfischliebhaber, der hier in Kigali über umfangreiches Aquarium verfügt“, so eine Notiz über den ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana. Wie auch in undiplomatischen Kreisen zählt bei der Auswahl des Präsents Individualität und damit ist eine ganze Behörde beschäftigt.
Zu den Aufgaben des Auswärtigen Amtes gehört neben der Interessenvertretung des Landes die Förderung des internationalen Austauschs, also auch die Pflege der auswärtigen Beziehungen – wie zuletzt besonders gelungen durch Heiko Maas’ Besuchs in Teheran.
Dazu soll zusätzlich zum durchdachten und personalisierten Geschenk auch die ausgewählte Garderobe besonderes Geschick veranschaulichen: Ob maßgeschneiderter Anzug oder traditionelles Gewand, die Farbgebung und Stoffe spielen in der Diplomatie eine entscheidende Rolle, denn auch in der Kunst und Praxis des Verhandelns zählt der erste Eindruck.
Kaum mehr Eindruck schinden konnte das Geschenk des nigrischen Präsidenten Seyni Kountché an Carstens: ein Kamel. Dieser lehnt es schließlich ab, das Tier mit nach Deutschland zu führen und spendet es einer sozialen Einrichtung. Eine ausgestellte Briefsammlung zeigt das große öffentliche Interesse, Nachfragen zum Wohlergehen des Tieres und ein Rezept für ein gefülltes Kamel.
Tiere zu verschenken ist in der Diplomatie nicht ungewöhnlich, so kann Carstens zum lebenden Kamel noch ein Löwenfell zu seiner Sammlung zählen. Liegen konkrete Anliegen – wie die Bitte um Entwicklungsgelder – vor, können Geschenke stereotypisch ausfallen und klischeebehaftete Bilder werden bedient: die Heimat wilder Tiere, rhythmischer Musik und leicht bekleidete Körper. Der Kubus, aus dem der Löwe stumm herausbrüllt, beschäftigt sich mit “Vorurteilen”, bei dem demonstriert wird, wie sich Europa gegenüber dem afrikanischen Kontinent als moralisch, technisch und kulturell überlegen erhebt. Projizierte Videoschnipsel und Zitate zeigen das Ausmaß des rassistischen Zeugnis, Äußerungen wie „Ich meine, ganz Afrika lebt aus unserer Tasche“ (Gloria von Thurn und Taxis), verachtende Plakatwerbung oder Staatsgeschenke seitens Deutschland in Form eines Fernsehers (die technische Überlegenheit).
Die mit einer großen, pinken Schleife versehenen Staatsgeschenke treten durch die Integration in einen Dialog mit den vorhandenen Kunstwerken – und ergänzen die Aufbewahrung eines kulturellen Erbes von Gesellschaften. Die Ausstellung offenbart jedoch auch die Absurdität einer dekadenten Form des Politikmachens.
„geschenkt! – die Gabe der Diplomatie“ | bis 22.9. | Rautenstrauch-Joest-Museum | 0221 22 13 13 01
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