Über den Wolken im Jahre 1956. Anatole „Zsa-zsa“ Korda (Benicio del Toro), gewissenloser europäischer Geschäftsmann, überlebt bereits zum sechsten Mal ein Attentat im Flugzeug. Abgeklärt landet er die Maschine Not und verfolgt weiter unbeeindruckt sein Lebensprojekt: die vermögensbildende Industrialisierung einer brachliegenden Region. Seine Partner allerdings verschwören sich und sabotieren ihn – zur Not bis in den Tod. Zsa-zsa sucht seine Tochter Liesl (Mia Threapleton) im Kloster auf. Sie soll seine Nachfolgerin werden. Die Nonnenanwärterin aber teilt so gar nicht Papas Werte. Da ist sie also, die neue Wundertüte von Wes Anderson: „Der Phönizische Meisterstreich“ (Cinedom, Lichtspiele Kalk, Odeon, OFF Broadway, Residenz, Rex, UCI, Weisshaus). Ein komisches Drama, gegliedert in fünfeinhalb Schuhkartons. Andere holen die Welt auf die Bühne – Anderson holt die Bühne auf die Welt: Mit 90-Grad-Schwenks durch bunte Bilderbuchkulissen der Wirklichkeit. Mit dem üblichen Staraufgebot im Minutentakt. Flott und frech. Minutiös und präzise. Staunekino, gebettet in Verweis und Zitat. Unverkennbar, einzigartig – und zugleich nicht wirklich greifbar, nicht wirklich berührend. Obwohl? Nun, etwas ist anders hier: Zuerst einmal arbeitet Anderson diesmal mit einem anderen Kameramann. Robert D. Yeoman steht ausnahmsweise nicht zur Verfügung, dafür springt der Franzose Bruno Delbonnel („Die fabelhafte Welt der Amélie“) ein. Die Kamera bleibt auch bei ihm fest im Stativ verankert, zugleich wirkt Andersons Welt diesmal farblich zurückgenommen, geerdeter. Ansonsten: vieles beim Alten. Bis dann in der letzten Szene, nanu, etwas Besonderes passiert: Wir sind berührt. Und das sind wir ja nicht allzu oft bei Wes Anderson.
Das Hamburger Schanzenviertel wird evakuiert, weil man einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden hat. Da der eigentliche Entschärfungsexperte wegen privater Probleme ausfällt, muss Lane die Aktion leiten. Doch auch sie hat mit ihren Dämonen zu kämpfen, zumal sich ihre Mutter weigert, die Evakuierungszone zu verlassen. Auch Kerstin Poltes zweiter Kinofilm „Blindgänger“ (Cinenova), nach „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“, ist wieder ein stargespickter Ensemblefilm geworden, der einige poetisch-märchenhafte Elemente aufweist. In nur anderthalb Stunden Laufzeit reißt die Filmemacherin eine ganze Menge schwieriger und wichtiger Themen an, was das großartige Schauspielerensemble und ihre subtil-verträumte Inszenierung aber überzeugend auffangen können.
Regisseurin Kerstin Polte ist am Samstag, 31.5. um 18 Uhr zu Gast im Cinenova.
Außerdem neu in den Kinos: das Identitätsdrama „On Swift Horses“ (Metropolis) von Daniel Minahan, das Kriegsdrama „Die Vorkosterinnen“ (Cinenova, Odeon) von Silvio Soldini, das Selbstfindungsdrama „Alle lieben Touda“ (Rex, Bonner Kinemathek) von Nabil Ayouch, das Kabarettistenportrait „Fritz Litzmann, mein Vater und ich“ (Odeon) von Aljoscha Pause, das Fliegerabenteuer „Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen“ (Cinedom, Rex, UCI) von Pablo Agüero, das Actiondrama „Karate Kid: Legends“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Jonathan Entwistle und der Slasher „Clown in a Cornfield“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Eli Craig.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit und ohne Menschen
Tata Ronkholz in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 05/25
Anruf der Legenden
JD McPherson im Luxor – Musik 05/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Macheath als Clown
„Die Dreigroschenoper“ am Theater Bonn – Auftritt 05/25
Tiefgründige Leichtigkeit
Marc Chagall in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 05/25
Die Macht der Vergebung
„American Mother“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/25
„Gründet nicht für Geld“
Wie Kölner Studenten mit KI Anträge auf Sozialleistungen erleichtern wollen – Spezial 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Für die Unendlichkeit
Drei Kölner Ausstellungen zwischen Zwang und Befreiung – Kunst 05/25
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Fragen als Gemeinsamkeit
„Hiob“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 05/25
Alles Posaune
Das Vertigo Trombone Quartet in Neuss – Improvisierte Musik in NRW 05/25
Sackschwer
Zamus: Early Music Festival 2025 in Köln – Klassik am Rhein 05/25
Wohnen im Film
Die Reihe Filmgeschichten mit „Träumen von Räumen“ im Filmforum NRW – Filmreihe 05/25
Jetzt erst recht
Teil 1: Lokale Initiativen – Parents for Future in Köln
19 neue Standorte
KulturMonitoring in NRW wird ausgeweitet – Theater in NRW 05/25
„Ich ersetze keine Menschen – ich entlarve sie“
Ein Gespräch mit einer Künstlichen Arroganz über den Arbeitsmarkt – Glosse
Lässiger Spott
„Ophelia‘s Got Talent“ am Schauspiel Köln – Tanz in NRW 05/25
Großer Auftritt zum Finale
Der Pianist und Dirigent Lahav Shani in Dortmund – Klassik an der Ruhr 05/25
„Politik für das Gemeinwohl, nicht für Unternehmen“
Teil 1: Interview – Armutsforscher Christoph Butterwegge über die Umverteilung von Reichtum
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Feierabend heißt Feierabend
Neues Gesetz schützt Arbeiter vor ständiger Erreichbarkeit – Europa-Vorbild: Spanien
Gegen Genderklischees
Eine Operetten-Wiederentdeckung in Köln – Oper in NRW 05/25