Universitätsprofessor Ingwer (stark: Charly Hübner) hat sich für ein Sabbatjahr entschieden, um seine greisen Eltern im friesischen Brinkebüll zu versorgen. Die beiden stehen kurz vor ihrer Gnadenhochzeit, aber Ella (Hildegard Schmahl) ist dement und Sönke (Peter Franke) körperlich beeinträchtigt. Mit der Rückkehr auf den Gasthof der Familie werden Erinnerungen Ingwers an seine Jugend in den 1970er Jahren wieder wach, als er mit den beiden und der geistig verwirrten Marret (Gro Swantje Kohlhof) auf dem platten Land aufwuchs. Er erinnert sich an Tage im Schankraum, Spielen in den Feldern und das komplizierte Personengeflecht in seiner Familie. Eine der Stärken von Lars Jessens Romanverfilmung „Mittagsstunde“ (Cinedom, Cinenova, Odeon, Weisshaus, plattdeutsch mit Untertiteln im Cinenova) liegt sicherlich in der Tatsache begründet, dass die Geschichte sich vor den Augen seiner Zuschauer nur nach und nach entrollt. Die Atmosphäre, die der Filmemacher erschaffen hat, ist mit der aus Dörte Hansens Romanen weitgehend identisch. Damit geht auch einher, dass nicht alle losen Enden verknüpft, nicht alle Fragen beantwortet werden. Aber gerade das macht auch die Faszination der Geschichte aus. „Mittagsstunde“ benötigt weder dramatische Zuspitzungen noch vordergründige Spannungsmomente, um sein Publikum zu fesseln. Denn das Charakterdrama ist ausgesprochen gut besetzt, und die famosen Darstellerleistungen ziehen einen schnell in die Ereignisse hinein.
Regisseur Lars Jessen ist am Sonntag, 25.9. zu Gast in Köln: um 17:30 Uhr im Odeon, um 20 Uhr im Cinenova.
Der Pflanzenführer seines Ururur-Onkels und das Leben beim Großvater bringen ihm als Kind die Natur nah. Die Großmutter führt ihn ein in die Welt des Theaters. Sein älterer Bruder eröffnet ihm die Germanistik. Michael Krüger, geboren am 9. Dezember 1943, verschreibt sein Leben der Literatur. Als Buchhändler, Autor, Verleger und Übersetzer. Als Lesender. Regisseur Frank Wierke trifft in „Verabredungen mit einem Dichter – Michael Krüger“ (Filmpalette) den inzwischen an Leukämie erkrankten Wahlmünchner mehrmals zum Gespräch. Krüger gibt anschaulich Einblicke in sein Leben und beweist sich als angenehmer, tiefgründiger Erzähler, dem man gebannt zuhören mag. Wenn dieser wache Geist sanft, anschaulich, humorvoll und philosophisch vom Wesen des Gedichts, des Schreibens oder eines Kirchenbesuchs erzählt, und von Bäumen und Schafen.
Bis heute sind die Franzosen die größten Fans von Rainer Werner Fassbinder, sein glühendster Verehrer ist der Regisseur François Ozon, der ihm schon mit „Tropfen auf heiße Steine“ ein Denkmal gesetzt hatte. Jetzt legt er 50 Jahre später ein raffiniertes Remake des Kammerspiels „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ vor. Ozon vollzieht in seiner Hommage „Peter von Kant“ (Filmpalette, OmU in der Bonner Kinemathek) einen Genderwechsel und versetzt die lesbische Sado-Ménage in die Welt des toxisch veranlagten Fassbinder-Alias Peter von Kant (bravourös: Denis Ménochet). Der Drehbuchautor verfällt heillos dem Jüngling Amir (Khalil Gharbia), einem Wiedergänger von El Hedi ben Salem aus Fassbinders echter Entourage. Isabella Adjani und vor allem die göttliche Hannah Schygulla als Peters Mutter ergänzen mit kraftvollen Auftritten das Kammerstück um Liebe und Verzweiflung.
Außerdem neu in den Kinos: Torsten Striegnitz' und Simone Dobmeiers Chor-Doku „Unsere Herzen - ein Klang“ (Cinenova, Filmhaus, Odeon, Weisshaus) und Olivia Wildes Thriller „Don't Worry, Darling“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Lichtspiele Kalk, Residenz, Rex am Ring, UCI, OmU im OFF Broadway und Metropolis, OV im Cinedom, Cineplex, UCI).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Die Träume der Buchhändlerin
Die Filmstarts der Woche
Gemalte lebendige Natur
„B{l}ooming“ im Wallraf-Richartz-Museum – Kunst in NRW 10/25
Kunstwerk Demokratie
„We … Together“ im NS Dokumentationszentrum – Kunst 10/25
Kultur am Kipppunkt
Teil 1: Lokale Initiativen – Bruno Wenn vom Kölner Kulturrat über die Lage der städtischen Kulturhäuser
Muttärr! Oder: Dschungelbuch in Ulm
„Man kann auch in die Höhe fallen“ am Theater Der Keller – Auftritt 10/25
Appell an die Menschlichkeit
Navid Kermanis Lesung im MAKK – Lesung 10/25
Was hat Kultur denn gebracht?
Eine Erinnerung an Nebensächliches – Glosse
Jede Menge bunter Abende
Wilder Programmmix in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 10/25
Jenseits üblicher Klänge
Das Multiphonics Festival 2025 in Köln und Wuppertal – Improvisierte Musik in NRW 10/25
„Mich hat die Kunst gerettet“
Teil 1: Interview – Der Direktor des Kölner Museum Ludwig über die gesellschaftliche Rolle von Museen
Die Kunstinitiative OFF-Biennale
Wer hat Angst vor Kunst? – Europa-Vorbild: Ungarn
Tanz gegen Kolonialismus
„La Pola“ im Rautenstrauch-Joest-Museum – Tanz in NRW 10/25
Die Front zwischen Frauenschenkeln
„Der Sohn und das Schneeflöckchen“ von Vernesa Berbo – Literatur 10/25
Günstige Städtereisen
Die Neue Philharmonie Westfalen tourt durchs Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 10/25
Der Meister des Filmplakats
Renato Casaro ist tot – Nachruf 10/25
Im Spiegel des Anderen
„Der Junge im Taxi“ von Sylvain Prudhomme – Textwelten 10/25
„Wir führen keine Monster vor“
Regisseurin Nicole Nagel über „Aufruhr der Stille #MeTooInceste“ am Orangerie Theater – Premiere 10/25
Inspiration für alle
Teil 1: Leitartikel – Wer Kunst und Kultur beschneidet, raubt der Gesellschaft entscheidende Entwicklungschancen
Schnappatmung von rechts
Wenn Filme Haltung zeigen – Vorspann 10/25
Die Moralfrage im Warenhaus
„Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ am Schauspiel Köln – Prolog 09/25
Alpinismus im Bilderbuch
„Auf in die Berge!“ von Katja Seifert – Vorlesung 09/25
Verzweifelte Leidenschaft
„Manon Lescaut“ an der Oper Köln – Oper in NRW 09/25
Licht sehen
Johanna von Monkiewitsch in der Kunst-Station Sankt Peter – kunst & gut 09/25
Stimmen für Veränderung
„How to Build a Library“ im Filmforum – Foyer 09/25
Das Leben in seinen Facetten
Wolfgang Tillmans in Remscheid – Kunst in NRW 09/25