Die Mittagsfrau
Deutschland 2022, Laufzeit: 136 Min., FSK 12
Regie: Barbara Albert
Darsteller: Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn
>> www.wildbunch-germany.de/movie/die-mittagsfrau
Drama über eine emanzipierten Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Emanzipationszeitreise
„Die Mittagsfrau“ von Barbara Albert
Fünfzigerjahre, inmitten von gelben Kornfeldern in Deutschland: Eine modisch-moderne Frau steuert ihren Wagen in einen alten Hof. Kühle Begrüßung mit dem Bauern, im Hintergrund versteckt sich ein Teenager und beobachtet die Szene von einer Scheune aus. Während die Frau und der Bauer in der Küche auf ihn warten, lässt sie ihr Leben Revue passieren. Alleine schon dieser Einstieg ist ein wenig anders als in der knapp 500 Seiten starken, millionenfach verkauften Buchvorlage von Julia Franck aus dem Jahr 2007. Bei 136 Minuten Laufzeit muss ein Film große Einschnitte machen. Die Kraft und den Willen der Protagonistin, aber auch die Widerstände in der Gesellschaft nicht in eine Miniserie, sondern einen abendfüllenden Film zu übertragen, ist eine Kunst.
Regisseurin Barbara Albert hat letztes Jahr tatsächlich eine Miniserie „Funeral for a Dog“ realisiert. Eigentlich gehört sie einer Generation österreichischer Filmschaffender an, die um die Jahrtausendwende mit ihren reduzierten, aber klaren Inszenierungen die deutschsprachige Kinolandschaft bereicherten. Ihre frühen Filme „Nordrand“ (1999), „Böse Zellen“ (2003) oder „Fallen“ (2006) widmeten sich ganz gewöhnlichen Menschen der Gegenwart. Mit „Die Lebenden“ (2012) reiste sie indirekt in die Zeit des NS-Regimes, mit „Licht“ machte sie 2017 einen Abstecher ins Wiener Rokoko. Gemein haben alle ihre Filme die weibliche(n) Protagonistin(nen) im Zentrum. „Die Mittagsfrau“ entführt uns abermals in die Zeit vor und während der NS-Diktatur. War es in „Die Lebenden“ die junge Sita, die die Generation der Großeltern nach ihrer Schuld oder Mitschuld fragt, sind wir in „Die Mittagsfrau“ an der Seite von Helene ganz unmittelbar in den 1920er bis 1950er Jahren der deutschen Geschichte: Die Mutter ist nach dem Verlust von Vater und Sohn im Ersten Weltkrieg nah am Wahnsinn, während sich die Schwestern Martha und die jüngere Helene mit der gemeinsamen Freundin als romantisches Trio einen optimistischen Schutzwall aufbauen. Als die deutlich jüngere Helene volljährig wird, reisen sie zu ihrer liberalen, reichen Tante nach Berlin. Helene hat große Ambitionen: Sie möchte ihr Abitur nachholen und dann Medizin studieren, während sich die orientierungslose Martha von den freizügigen Partys und den Drogen im Haus der Tante mitreißen lässt. Als Helene den charmanten und einfühlsamen Karl (Thomas Prenn) kennenlernt, kehrt auch bei ihr die Romantik ein. Ihr Ziel verliert sie nie aus den Augen, doch die Schicksalsschläge mehren sich.
Drehbuchautorin Meike Hauck bekommt die erzählerische Fülle des Romans mit gezielten Verkürzungen und Auslassungen sehr gut in den Griff. Barbara Alberts Inszenierung und Filip Zumbrunns Kamera können bei dieser ZDF-Co-Produktion meist, aber leider nicht immer, die Klischees eines TV-Films umgehen. Dass man auch trotz der großen Zeitspanne Helenes Entwicklung immer glaubt und fühlt, liegt vor allem an der großartigen Mala Emde („Charité“, „Und morgen die ganze Welt“), die dieses Frauenschicksal stellvertretend für unzählige deutsche und jüdische Frauenschicksale in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts grandios verkörpert.
Wo Grenzen verschwinden und Geister sprechen
Das Afrika Film Festival Köln 2025 – Festival 09/25
Weinende Wände
Das Filmtheater als Begegnungs- und Spielstätte – Vorspann 09/25
„Es ist vertraut, aber dennoch spannend“
Schauspielerin Barbara Auer über „Miroirs No. 3“ – Roter Teppich 09/25
„Das Leben ist absurd, nicht der Film“
Regisseur Elmar Imanov über „Der Kuss des Grashüpfers“ – Gespräch zum Film 08/25
Jung-Bäuerinnen bei der Arbeit
„Milch ins Feuer“ im Odeon – Foyer 08/25
Gar nicht mal so stumm
Die Internationalen Stummfilmtage in Bonn 2025 – Festival 08/25
Drama, Baby?
Das Arthouse und der Schenkelklopfer – Vorspann 08/25
Sommergefühle
Leichte Kino-Kost im Juli – Vorspann 07/25
Im Abschiebegefängnis
„An Hour From the Middle of Nowhere“ im Filmhaus – Foyer 06/25
Fortsetzung folgt nicht
Serielles Erzählen in Arthouse und Mainstream – Vorspann 06/25
Wohnen im Film
Die Reihe Filmgeschichten mit „Träumen von Räumen“ im Filmforum NRW – Filmreihe 05/25
Filmischer Feminismus
Das IFFF 2025 in Köln – Festival 04/25
Der Filmfrühling ist angebrochen
Die erste Jahreshälfte startet mit bedeutenden Filmfestivals – Vorspann 04/25
Über die Todesangst
„Sterben ohne Gott“ im Filmhaus – Foyer 03/25
Alles für die Musik
Publikumspremiere von „Köln 75“ im Cinenova – Foyer 03/25
Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Beule – Zerlegt die Welt
Start: 11.9.2025
Kill the Jockey
Start: 18.9.2025