Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.560 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Julie Pfleiderer plant ein „Zeitloch aus Gedanken und Geräuschen“
Foto: Stefan Klüter

Exzess und digitaler Alltag

29. Oktober 2015

Das Kölner Theater im Herbst – Prolog 11/15

Wenn das Jetzt unendlich wäre, könnte es auch später stattfinden. Mit „Jetzt aber später“ setzt Julie Pfleiderer die Livehörspielreihe „Die Stimmen der Dinge“ im King Georg fort. Die Performerin und Filmemacherin konstruiert, so die Ankündigung, ein „Zeitloch aus Gedanken und Geräuschen“, in dem wir die Orientierung verlieren sollen. Es sind die Übergänge zwischen dem Realen und Fiktiven, Vergangenem und Gegenwärtigem, Allgemeinem und Spezifischem, die Julie Pfleiderer interessieren. Im vergangenen Jahr bereits entstand ihr Kurzfilm „Infinite Jetzt“, eine Studie über die vermeintliche Austauschbarkeit von Situationen und Orten am Beispiel von drei international vernetzten Künstlern. Und im Februar hat sie zusammen mit Dianne Weller in Brüssel die Performance „For Your Ears Only“ herausgebracht. Auf der Basis von Geräuschen eines Stücks der Gruppe Superamas und den Bemerkungen von drei Theaterkritikern entstand in der Imagination der Zuhörer ein neues Stück.

Eine Filmemacherin steht im Mittelpunkt von Falk Richters und Anouk van Dijks „Nothing Hurts“. Die junge Frau ist ihr eigener Crash Test Dummy in einer konsumistisch abgepolsterten Gesellschaft, deren vermeintliches Sicherheitsbedürfnis immer weiter steigt und die einen Mantel mentaler Unverletzlichkeit um ihre Mitglieder legt. Der Exzess, der Zusammenprall, die Verwundung wird zur neuen Sehnsucht, um sich selbst zu erfahren. Eine Erfahrung, die auch die Selbstpreisgabe einschließt. Falk Richter, um den es inzwischen etwas ruhiger geworden ist, hatte sich 1999 mit der Choreografin Anouk van Dijk zusammengetan, um diese Performance zwischen Tanz und Schauspiel zu realisieren. Ein Stück, das bis in seine Formulierungen den Zeitgeist der Jahrtausendwende ausströmt und das die junge Regisseurin Andrea Imler am Schauspiel Köln jetzt auf seine Gegenwartstauglichkeit untersucht.

Für die junge Gruppe mind.break.company dürfte der 46-jährige Falk Richter wahrscheinlich schon den Stempel der Vatergeneration tragen. Frühe Nuller Jahre eben. Die Virtualisierung der Kommunikation, die bei Richter subkutan mitschwingt, ist für die Generation der Twentysomethings Alltag, digitaler Alltag. Sascha Klein, Kevin Kader und Fabian Regel machen sich, wie sie in ihrer Ankündigung zu ihrem Stück „post:like:me“ ironisch anmerken, auf die Suche nach dem „Quellcode unseres sozialen Miteinanders“. Der Generationensprung zu Richter liegt in der Weigerung, den Digital Native mit „drögen Entfremdungsszenarien“ oder gar Realitätsamputation zu stigmatisieren. Verlustbeschreibungen stehen unter ideologischem Verdacht, der schlicht die Wirklichkeit ignoriert. Mind.break.company sind die Gewinner des Regiewettbewerbs, dendie studiobühneköln und KölnAlumni – Freunde und Förderer der Universität zu Köln e.V. alle zwei Jahre ausschreibt. Sie schlugen 14 Mitbewerber aus dem Feld und dürfen nun ihre erste Produktion realisieren.

„Die Stimmen der Dinge II: Jetzt aber später“ | R: Julie Pfleiderer | 26.-28.11. 20 Uhr | King Georg | 0177 654 54 68

„Nothing Hurts“ | R:Andrea Imler | 18.12. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

„post:like:me“ | R:Klein/Kader/Regel | 25.-29.11. 20 Uhr | Studiobühne | 0221 470 45 13

Hans-Christoph Zimmermann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Challengers – Rivalen

Lesen Sie dazu auch:

Lesarten des Körpers
„Blueprint“ in der Außenspielstätte der Tanzfaktur – Prolog 03/24

Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24

Die Entmystifizierung des Mannes
„Sohn meines Vaters“ in der Tanzfaktur – Prolog 11/23

„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23

„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23

Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23

Erziehung zur Empathielosigkeit
„Das große Heft…“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 05/23

Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23

Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23

Gemeinsame Heimat
Ulf Meyer / Martin Wind Quartet im King Georg – Musik 10/22

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!