Modellbau als Kunst. HO oder doch größer? Keine Ahnung. Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt jedenfalls Isa Genzken. Die international anerkannte Norddeutsche Künstlerin mit Hang zum Skurrilen war Meisterschülerin bei Gerhard Richter in Düsseldorf und erwischte für ihren Werdegang die Goldenen 1980er Kunstmarktjahre. „Für mich soll‘s rote Rosen regnen.“ Natürlich fällt mir dieses Lied von Hildegard Knef ein, wenn die Rechtslinks-Kombination zum Ostflügel durchschritten wurde und die endlosen Modelle (35) für Außenskulpturen so vor einem liegen. Die große Leipziger Rose kenne ich (Baden-Baden hat seit 1993 auch eine) und natürlich auch (als Foto natürlich nur) das acht Meter große Pendant „Rose II“, mit dem sie 2013 im Skulpturengarten des Museum of Modern Art (MoMA) in New York quasi geadelt wurde. Und doch, die diversen Blumen kommen erst später. Erst dominiert der kleine schwebende Superheld zwischen den mächtig wirkenden Fassaden, den Genzken 2007 für die „Skulptur Projekte Münster“ entworfen hat und der dort eine Art US-amerikanische Macy‘s Thanksgiving Day Parade symbolisieren soll. (Nächste Chance für Münster ist wohl 2017.) Dann das als Modell immer mächtig erscheinenden „Projekt für die Windenergie“ (1998) oder die im selben Jahr entstandene Idee „Two Trees“ eine Klangskulptur für Brüssels nacktes Hafengelände. Beide Entwürfe wurden (noch) nicht realisiert – bei der Idee für das Projekt „Kunst und Windenergie“ (1998), bei der bei einer echten Windkraftanlage das dreiflügelige Windrad nicht im Wind, sondern horizontal wie ein Schirm angebracht wird, kann man das sogar verstehen. „Ich bin gerne frech“, sagte die heute in Berlin lebende Künstlerin einmal, und es sieht so aus, dass sich die potentiellen Finanziers eben auch mal veralbert vorkommen.
Gutes Beispiel dafür sind auch die 30 Meter hohen Tulpen, die sie 1988 an einem Teilstück der Amsterdamer Stadtautobahn realisieren wollte. Das „Tor für Amsterdam“ wurde natürlich nicht realisiert, die Findungskommission soll sich schlichtweg auf den Arm genommen, Tulpen für Amsterdam, das sei wie Eulen in Athen, hieß es damals in der Presse. Also wurde es mit der einfachen Begründung: „Schlichtweg zu teuer“ abgelehnt. Nun sollte niemand auf die Idee kommen, das sei bei den meisten wirklich meisterhaft gebauten Modellen so. Mehr als die Hälfte davon wurden weltweit realisiert. Die Modelle selbst sind auch viel unterwegs. Die Standard-Genealogie unserer deutschen Mega-Artisten: Erst documenta in Kassel, dannBiennale in Venedig (gern auch umgekehrt, oder gar nicht: siehe den grandiosen Stephan-Balkenhol-Beweis-Eklat zur documenta 13) hat sie jedenfalls einhalten können, auch die meisten Arbeiten der „Modelle für Außenprojekte“ stammen aus der Venedig-Präsentationsausstellung „All the World‘s Futures“ von der Biennale im letzten Jahr, wo bereits 23 Modelle von Außenskulpturen zu sehen waren. Allerdings auch zweiübergroße Orchideen direkt vor dem Österreichischen Pavillon.
„Isa Genzken – Modelle für Außenprojekte“ | bis 17.4. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 10
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