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„Supergutman“
Foto: Thilo Beu

Der Zorro der Nachbarschaft

29. März 2018

„Supergutman“ im Theater Bonn – Theater am Rhein 04/18

Er ist immer der letzte in der Reihe, immer hilfsbereit, für jede Petition gut und backt sogar Brot – der „Supergutmann“ in Lukas Linders gleichnamigem Stück. Sein Name lautet Parzival Pech (Matthias Breitenbach) und er wohnt in einer Reihenhaussiedlung, die in der Bonner Werkstatt eher wie ein Zellentrakt für psychisch Gestörte aussieht. Fünf schmale Türen, rechts und links ein vergittertes Fenster, Auftritte nur, wenn das Licht außen angeht. Die fünf Insassen tragen zudem malvenfarbene Hängerchen unter Trenchcoats, aus denen sich umstandslos Zwangsjacken machen lassen.

Regisseurin Clara Weyde lässt keinen Zweifel am suburbanen Nachbarschaftsirrsinn und dessen -terror: Bernd Braun als Frau Werner flötet ihr Überwachungsgift in Parzivals allzeit offenes Ohr. Ihr Mann Roy (Wilhelm Eilers) vom Kinderschutzamt beutet ihn für seine Internetprobleme aus. Und Frau Zuber (Johanna Falckner) schmiedet lustvoll an ihrer eisernen Freundlichkeit. Aus Parzival Pechs Gutmenschentum wird allmählich Heldentum, das von allen Insassen frenetisch unterstützt wird. Man setzt Zorromasken auf, übt sich in todesmutigen Kampfgesten. Parzival formt aus einem Brotlaib einen bonapartistischen Zweispitz und stürzt sich in den Kampf für die geliebte Irma Pfeifer der Lydia Stäubli. Der allein erziehenden Mutter wurde das Kind weggenommen, sie droht sich umzubringen. Nicht nur bewahrt der Nachbarschaftsheld die verzweifelte Mutter vor dem Strick, er backt zudem eine Lebkuchenpetition und bringt das Anliegen in eine völlig durchgeknallte Talkshow. Plötzlich wird aus dem Nachbarschaftsdrama eine Liebesgeschichte und ein fast barockes Heldenepos um den guten Ritter Parzival. Pathosformeln aus Film und Literatur ploppen auf. Absurde Schlachten zwischen böser und guter Nachbarschaft werden ausgefochten.

Clara Weyde und den begeisternd aufspielenden Schauspielern gelingt ein sehr unterhaltsamer Abend, der sich allerdings gelegentlich allzu solipsistisch um seine eigene Ästhetik dreht. Je länger eine Groteske dauert, desto mehr wird sie zur Normalität, insofern hätte dem Abend etwas mehr Tempo durchaus gutgetan.

„Supergutman“ | R: Clara Weyde | 5., 19.5. 20 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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