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Vincent Burmeister, Illustration für den Ausstellungsraum „Im Halb-Dunkel – Die Auslöschung“, 2016
© Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

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22. Dezember 2016

Ausstellung „Touchdown“ über das Down-Syndrom in Bonn – Kunstwandel 01/17

Seit über 30 Jahren habe ich immer, wenn ich etwas über Menschen mit Down-Syndrom höre, eine Textzeile der nicht gerade berühmt gewordenen US-Band Devo von 1979 im Ohr. „Mongoloid, he was a mongoloid / Happier than you and me“. Und genau mit diesem Song bin ich in die Ausstellung „Touchdown“ in der Bonner Bundeskunsthalle marschiert. Und da waren sie, viele Fotoporträts von fröhlichen Menschen, deren innere Welt vielleicht schöner ist als die von uns allen. Ein Chromosom mehr ist nämlich nicht zu unterschätzen. Trisomie 21 (die offizielle Bezeichnung) ist nicht lebenslustbedrohend und macht wohl irgendwie auch cool, das konnte die Fahrt nach Bonn allemal zeigen.

Damit dort nicht der Eindruck entsteht, man zeige eine Ausstellung über Outsider-Kunst, hat das Kuratorenteam die Arbeiten der Künstler mit einem Meer an Informationen verbunden, die den Besucher nicht nur gekonnt informieren, sondern ihn zusätzlich in einen fremden Kosmos geleiten. Und das ist dem grandiosen norddeutschen Zeichner Vincent Burmeister zu verdanken. Er erzählt durch die Ausstellung hindurch nämlich eine ganz andere Geschichte über die Menschen mit Down-Syndrom. Kapitel 1: Die Landung. Irgendwann vor 5000 Jahren landeten Außerirdische von einem fremden Planeten auf der Erde, sie haben 47 Chromosomen (Krönung der Schöpfung umschreiben?) und finden die Neandertaler (nennen wir sie lieber Jungsteinzeitmenschen). Die Aliens bleiben und damit ist die Trisomie 21 auf der Welt. Kapitel 2: Die Außerirdischen planen eine Second Mission. Sieben AstronautInnen und eine Hündin machen sich auf den Weg nach Bonn, um zu schauen, wie es den Kolonisten ergangen ist. Wie es weitergeht wird nicht verraten, nur eins: Sicherheitsfrau jUDOYOU meint: „Und schon sind wir auf dem Scheiß-Planet.“ Aber: Sie mag dennoch Rumpsteak mit Pilzsoße.

Kommen wir wieder zur Ausstellung „Touchdown“ zurück. Nach den Fotoportraits finde ich als erstes eine Installation aus Koffern (Luc Eyen, 2006), dazu eine Rockerweste: „Jeans-Weste der Mad´s City Rockers“ von Samuel Cariaux und Moolinex. Sehr spannend und außergewöhnlich. Beobachtet wird man auch. Denn immer wieder schauen sie zu, die Künstler, ihre Geschwister, Freunde, Eltern, sie leuchten aus Kästen, sie blicken auch mal ernst auf Fotografien, für die Ausstellung sind sie der Klebefaktor oder quasi wie schwarze Materie zwischen den Kunstwerken. Klar, manche Bildfindung, manches Objekt könnte mühelos den Weg in eine Art-Brut-Ausstellung finden, dennoch bleibt die Tatsache: Dies ist die erste visuelle Präsentation der Geschichte von Menschen mit Down Syndrom (nach John Langdon-Down – Neurologe und Apotheker, 1828-1896, der als erster die Menschen ernst nahm) und sie ist wichtig und schön: mit ihren kleinen Kästen voller roter Puppen, in Fäden gebettet von Rita Arimont, oder auch der uralten Keramik-Figur eines Kindes (vielleicht mit Down-Syndrom?) aus der Kultur der Olmeken (1400-1200 v.Chr). Irgendwo steht: Verlieben sich Menschen mit Down Syndrom? Komische Frage.

„Touchdown“ | bis 12.3. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00

PETER ORTMANN

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