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„Die roten Schuhe / Eine Liebe. Zwei Menschen“
Foto: Hannah Dörr

Alles im Innern verbrannt

26. Juni 2014

„Die roten Schuhe“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 07/14

Beim Griff nach den Zigaretten verknoten sich spirrelige Finger in der Manteltasche. Die Packung fällt zu Boden. Mühsam wird eine Zigarette herausgefummelt, und dann tanzen die Finger ein absurdes Hilflosigkeits-Ballett beim Versuch, ein Streichholz anzuzünden. Ein Lächeln, als endlich der Qualm aufsteigt. Schon diese Anfangsszene ist den Abend wert. Julia Riedler, die sich bisher in Nebenrollen durch den Spielplan des Kölner Schauspiels gearbeitet hat, spielt den Monolog „Rote Schuhe“, eine Auskoppelung aus Fritz Katers (d.i. Regisseur und Intendant Armin Petras) Textsammlung „Ejakulat aus Stacheldraht II“. Wie die junge Frau in schwarzen Stiefeln, Hot Pants, knappem Top und blutüberlaufenen Knien auf dem kleinen Podest in der Grotte Depot steht, erinnert sie ein wenig an Jodie Foster in „Taxi Driver“. Mit sonorer Stimme erzählt sie vom Dasein als Heimkind in der DDR, vom Vater, vom Knast.

Julia Riedler packt dieses Leben voller Demütigung und Gängelung in eine Abgeklärtheit ohne Selbstmitleid. Doch unter der Pose kümmern Sehnsuchtsreste dahin, die sich in einem kurzen Posing vorm Ventilator Bahn brechen. Wenn die Mauer fällt, öffnen sich die Containertüren und die Frau schwärmt von einem Moment höchsten Glücks, den sie mit ihrer Freundin Lydia erlebt – bis im Westen die Ausbeutung weitergeht, mit Männern, Gewalt und Nuttenstrich. „Alles im Innern verbrannt“, das ist das Fazit, als sie in den Osten zurückkehrt. Beklemmend und bewegend, wie Riedler, Regisseurin Charlotte Sprenger und Ausstatterin Aleksandra Pavlovic daraus eine Charakterstudie geformt haben. Nicht ganz so überzeugend Johannes Benecke im Monolog „Eine Liebe. Zwei Menschen“, der beschreibt, wie ein Mann aus dem Osten zur Arbeit in den Westen fährt, sich dort in eine Frau verliebt und darüber seine Familie vernachlässigt.

Eine Leidenschaft, die sich gegen das Déjà-vu der Videotheken und der Langeweile heraushebt und in ein verzehrendes Wechselspiel aus Verletzung, Verlassenwerden und Wiedertreffen übergeht. Benecke setzt auf eine Distanz, Komik und Naivität, bleibt allerdings die Leidenschaft weitgehend schuldig.

„Die roten Schuhe / Eine Liebe. Zwei Menschen“ | R: Charlotte Sprenger | Fr 27.6., Mi 2.7. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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