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Bild aus dem Dokumentarfilm „Young Turks“
Foto: Ethem Onur Parlar

Türkisch für Anfänger

23. Oktober 2015

Weltpremiere der Dokumentation „Young Turks“ in der Akademie der Künste der Welt

Können Sprache und Kultur einen kolonialisierenden Effekt haben? Mit einem Netzwerk aus türkischen Sprachschulen in über 140 Ländern ist die Türkei weltweit sogar besser vertreten als mit ihren Botschaften im Ausland. Einmal im Jahr veranstalten diese Sprachschulen eine „Türkisch-Olympiade“ in Izmir, bei der junge Schüler aus aller Welt türkische Folklore vor einem begeisterten Publikum aus Einheimischen darbieten dürfen.

Regisseur und Video-Künstler Köken Ergun hat dieses Event zum Anlass seines Gesamtkunstwerks „Young Turks“ genommen, welches aus einer Installation mit mehreren Videointerviews, drei Skulpturen, einer Publikation und der im Zentrum stehenden Dokumentation besteht, die an diesem Abend Premiere feierte. Der 45-minütige Dokumentarfilm zeigt zum einen das Ereignis der Türkisch-Olympiade selber, zum anderen filmt Ergun den Unterricht der Schüler in Indonesien und Kenia. Dabei wird leider wenig auf die Motivation der Kinder eingegangen, die diese Schulen besuchen. Wieso lernen indonesische Schüler die türkische Sprache, was erhoffen sie sich davon? Antworten auf diese Fragen seien Teil der Video-Installation, erläutert Ergun später.

Filmemacher Köken Ergun im Gespräch mit Ayşe Çavdar

Der Film selber, der teilweise im Split-Screen-Verfahren gezeigt wird, ist eher als Beobachtung zu definieren. Er stellt dar, was man als Zuschauer – zumal ohne Kommentare der Akteure – nur skurril finden kann: Eine Gruppe kenianischer Kinder tanzt in regionaler Tracht einen türkischen Volkstanz. Ein junges Mädchen aus Madagaskar singt türkischen Trash-Pop im 90er Jahre-Stil zu Playback Musik. Das Publikum der „Olympiade“ in Izmir, welches größtenteils aus Frauen mittleren Alters besteht, ist zu Tränen gerührt. Über all diesen Eindrücken steht die Frage nach dem „Warum“, welche Ergun in der anschließenden Diskussion mit der Journalistin und Soziologin Ayşe Çavdar zu beantworten versucht. Warum laden die türkischen Sprachschulen ihre Schulkinder aus aller Welt nach Izmir ein, um sie dort vor einem Publikum spielen zu lassen, welches größtenteils aus Hausfrauen und ihren Töchtern besteht, die vor Begeisterung ganz außer sich sind? Der Versuch einer Erklärung deutet auf einen nationalen Minderwertigkeitskomplex der Türkei hin, so Çavdar. Die „Young Turks“ kommen aus der ganzen Welt, um die türkische Kultur zu feiern, das erzeuge ein Gefühl von Stolz in Teilen der türkischen Bevölkerung. Die „Sprach-Olympiade“ sei ein Versuch, den Imperialismus, wie er beispielsweise von Großbritannien praktiziert wurde, auf eine türkische Art zu kopieren.

Und genau dort setzt Köken Ergun mit seinem Film über die „Young Turks“ an. Der Film zeigt ein Abbild, eine überhöhte Kopie türkischer Kultur, die durch die exzessive Darbietung der marionettenhaften Sprachschüler zum Kitsch wird. Nichts wirkt echt, alles ist inszeniert und auf die Spitze getrieben. Die „Olympiade“ endet mit einer Hymne, die von den Sprachschülern aus aller Welt gemeinsam vorgetragen wird: „We are building a new world, we are meeting with Turkish, the language of love.“

David Gruber

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