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„Baden-Baden“ von Rachel Lang läuft im Debüt-Spielfilmwettbewerb
Foto: Chevaldeuxtrois

Von Frauen, für alle

31. März 2016

Das Internationale Frauenfilmfestival zeigt über 100 Filme – Festival 04/16

Dass die Pressekonferenz zum Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund / Köln (IFFF) zufälligerweise am Weltfrauentag stattfand, gefiel den Veranstalterinnen natürlich. Eine Steilvorlage, um ein Festival zu präsentieren, das sich den weiblichen Filmschaffenden widmet und damit mehr oder weniger direkt dem Thema Quote in der Filmwirtschaft.

100 Prozent Quote
Das Ungleichgewicht zwischen ausgebildeten Filmemacherinnen und beschäftigten Filmemacherinnen hat in den letzten Jahren eine große Diskussion ausgelöst. An der Hochschule ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Studierenden noch ausgeglichen. Doch in der Arbeitswelt sieht das dann leider ganz anders aus. Vor diesem Hintergrund entstand Pro Quote Regie, ein Zusammenschluss deutscher Filmemacherinnen, der die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren möchte. So organisierte die Vereinigung vor einem Jahr in Köln eine Veranstaltung, die nach den Gründen für das Ungleichgewicht fragte. Das IFFF bietet zwar keine Gelegenheit, den Ist-Zustand zu beklagen. Dafür hat man hier die Möglichkeit, in eine Welt mit umgekehrten Vorzeichen zu blicken: Hier kommen 100 Prozent der Filme von Frauen.

Auf der Leinwand geht es beim IFFF häufig auch um konkrete Fragen zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, aber nicht nur. Die Sektion Panorama ist die „Schatzkiste für avantgardistische Formen“ des IFFF, so Festivalleiterin Silke Räbiger auf der Pressekonferenz. Hier sind Spiel- wie Dokumentarfilme zu sehen, Experimente und kurze Formate. So zeichnet Emmanuelle Bercot in „La Tête Haute“ das Porträt eines immer wieder straffällig gewordenen Problemkinds. Catherine Deneuve spielt darin eine Jugendrichterin. Mit ihrer Doku „Wer hat Angst vor Sibylle Berg?“ widmen sich die Regisseurinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier der extravaganten Autorin. Einen kleinen Schwerpunkt legt das Panorama auf das polnische Filmschaffen. Und ein zweites Land wird genauer unter die Lupe genommen: Der Länderschwerpunkt Mexiko zeigt vor allem Filme, die sich mit der unglaublichen Gewalt im Land beschäftigen – im Allgemeinen wie im Speziellen: der Gewalt gegen Frauen. Vor allem die Dokumentarfilme sind keine leichte Kost. In dem mit 10.000 Euro dotierten Debüt-Spielfilmwettbewerb treten acht Filme an. Eine so moderne wie unverkrampfte Emanzipationsgeschichte erzählt Rachel Lang in ihrem Debüt „Baden-Baden“, das bereits auf der Berlinale zu sehen war. Auch Jules Herrmanns improvisiertes, rätselhaftes Selbstfindungswerk „Liebmann“ lief in Berlin. Hier geht es allerdings im Kern um einen Mann, der ein Trauma zu bewältigen hat. Desweiteren sind im Wettbewerb Filme aus den USA, Israel, England, Ungarn, Bulgarien und – das hat Seltenheitswert – Ecuador zu sehen. Die Sektion „begehrt! Filmlust queer“ präsentiert auch in diesem Jahr ein Best-of des aktuellen queer-feministischen Films. Eine Doku über Susan Sontag, ein Propaganda-Musical aus Schweden und der Kinofilm „La Belle Saison“ über eine lesbische Liebe Anfang der 70er Jahre in Frankreich zählen zu den Höhepunkten.

Feministisches Filmerbe
Neben Gegenwart und Zukunft des feministischen Films ist auch die Historie ein Thema. Unter dem Titel „No Future without a Past“ veranstaltete das IFFF im Februar im Rahmen der 66. Berlinale eine Diskussionsveranstaltung zum Filmerbe von Regisseurinnen. Dabei ging es um „Feminismus, Diversität & Filmarchive“ sowie die Frage, was man der männerdominierten Kanonbildung entgegensetzen kann. Den Sprung von der Theorie in die Praxis unternimmt das IFFF mit einigen filmhistorischen Aufführungen. Das Festival widmet der bedeutenden belgischen Filmemacherin Chantal Akerman, die sich im vergangenen Jahr das Leben genommen hat, einen kleinen Schwerpunkt. Zu sehen ist ihr allererster Kurzfilm „Saute ma Ville“, den sie mit 18 Jahren unter dem Einfluss von Godards „Pierrot le Fou“ gedreht hat – spielerischer Anarchismus! Daneben wird ihr letzter Film „No Home Movie“ gezeigt, außerdem die Dokumentation „I Don't Belong Anywhere – The Cinema of Chantal Akerman“ aus dem Jahr 2015. Bereits als Vorspiel zum Festival werden Filmschätze der europäischen Nouvelle Vague gezeigt. Am 31.3. läuft um 20 Uhr im Filmforum NRW Vera Chytilovás Langfilmdebüt „Von etwas Anderem“ von 1963. Die Tschechin Chytilová ist vor allem für ihren anarchischen Kultfilm „Tausendschönchen“ von 1967 bekannt. Am 2.4. läuft ebenda Agnès Vardas „Lions Love (... and Lies)“ über eine Ménage-à-trois in einer Hollywood-Villa. Während des Festivals ist zudem Lina Wertmüllers „The Belle Starr Story“ (Mein Körper für ein Körperspiel) zu sehen. Unter dem Pseudonym Nathan Wich hat die italienische Regisseurin 1968 den einzigen weiblich-feministischen Spaghetti-Western der Filmgeschichte gedreht.

Das Festival findet alternierend in Köln und Dortmund statt. In diesem Jahr ist Köln der Austragungsort, wo mehr als 100 Filme aus der ganzen Welt gezeigt werden, über 80 Filmemacherinnen werden als Gäste erwartet. Wie immer findet auch ein Filmprogramm für Schulklassen statt. In Dortmund werden ausgewählte Highlights gezeigt.

Für den choices-Publikumspreis in Höhe von 1.000 Euro stimmt das Publikum über alle aktuellen Langfilme ab 60 Minuten ab.

IFFF – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln | 19.-24.4. | div. Orte | Festivalzentrum: Altes Pfandhaus | www.frauenfilmfestival.eu

Das Programm:

Di. 19.4.:
19:00: Sand Storm (OmeU, Odeon)

Mi. 20.4.:
17:30: No Home Movie (OmeU, KHM Aula)
18:00: El tiempo suspendido (OmU, Filmforum)
18:00: The Wednesday Child (OmeU, Odeon)
20:15: Regarding Susan Sontag (OmU, Filmforum)
20:15: Baden Baden (OmeU, Odeon)
21:30: A los ojos (OmeU, Filmpalette)

Do. 21.4.:
16:00: Sand Storm (OmeU, Odeon)
17:30: I Don't Belong Anywhere - The Cinema of Chantal Akerman (OmeU, Filmforum)
18:00: Liebmann (Odeon)
19:00: Chevalier (OmU, Filmpalette)
20:00: God Is Not Working on Sunday! (OmU, Filmforum)
20:15: Thirst (OmeU, Odeon)
21:30: begehrt! Kurzfilmprogramm (OV, Filmpalette)
22:30: Mein Körper für ein Pokerspiel (OmU, Filmforum)

Fr. 22.4.:
16:00: Porn Punk Poetry (Filmpalette)
18:00: begehrt! Kurzfilmprogramm (Filmforum)
18:00: Alba (OmeU, Odeon)
20:15: Wer hat Angst vor Sibylle Berg? (Filmforum)
20:15: Songs My Brothers Taught Me (OV, Odeon)
21:30: Panorama-Kurzfilmprogramm (OV, Filmpalette)
22:15: Sabrás qué hacer conmigo (OmU, Filmforum)
22:15: Something Better to Come (OmeU, Odeon)

Sa. 23.4.:
13:30: La mujer de nadie (OmeU, Filmforum)
16:00: Trazando Aleida (OmU, Filmforum)
16:00: Die Geträumten (Odeon)
18:00: FtWTF - Female to What the Fuck (Filmforum)
18:00: The Violators (OV, Odeon)
20:15: La tête haute (OmeU, Filmforum)
20:15: Panorama Lange Filmnacht (OV, OmeU, Odeon)
21:30: Tempestad (OmeU, Filmpalette)
22:15: Folkbildningsterror (OmeU, Filmforum)

So. 24.4.:
11:00: Seguir viviendo (OmU, Filmforum)
11:30: begehrt! Kurzfilmprogramm (OmU, Odeon)
13:30: Panorama Kurzfilmprogramm (OmU, Filmpalette)
13:30: La belle saison - Eine Sommerliebe (OmU, Odeon)
15:00: Panorama Kurzfilmprogramm (OmU, Filmforum)
15:30: Dieses schöne Scheißleben (Odeon)
16:00: Arlette - Mut ist ein Muskel (OmU, Filmpalette)
17:00: begehrt! Kurzfilmprogramm (OmU, Filmforum)
19:00: Preisverleihung (Odeon)

Christian Meyer

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